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Machtkampf

Machtkampf

Titel: Machtkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bomm
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lassen, doch dann war ihr im letzten Moment klar geworden, dass es töricht und sogar gefährlich sein würde, über Dinge zu reden, die niemanden etwas angingen. Weder die Polizei noch den Pfarrer, auch wenn dieser ihr schon vor einem Jahr seelischen Beistand angeboten hatte.
    Nein, sie musste sich heraushalten. Aus allem. Egal, was in Rimmelbach geschehen war oder noch passieren würde.
    Sie fühlte sich unendlich müde und spürte, wie die körperlich schwere Arbeit in der Landwirtschaft an ihrer Substanz nagte. Wie jeden Abend musste sie auch heute schwere Heuballen schleppen und dafür sorgen, dass für die rund 60 Rinder genügend Futter vorhanden war. Danach galt es, Mist wegzukarren und die Stallung, vor allem natürlich die Gänge, zu reinigen. Die Zeit kroch dahin. Es war bereits 22.30 Uhr, als sie zum wiederholten Mal auf ihre Uhr sah und sich wunderte, dass Mompach seinen üblichen Kontrollgang noch nicht unternommen hatte. Meist tauchte er bereits gegen 22 Uhr auf, um ihr entweder noch weitere Arbeit aufzubrummen oder sie in irgendeiner Weise sexistisch anzumachen – je nachdem, wie es dem ›Herrn‹ beliebte. Oder er verkroch sich hinter der großen Scheune, um im Schutz der Dunkelheit irgendwelche Materialien zu verbrennen, für die er ansonsten eine teure Entsorgungsgebühr hätte bezahlen müssen.
    Sandra entschied, nicht länger als bis 23 Uhr zu bleiben. Dies war ohnehin spät genug, denn daheim würde Manuel natürlich wieder nicht schlafen, sondern vor der Glotze sitzen und sich auf irgendwelchen Kanälen etwas anschauen, das für Kinder seines Alters nicht geeignet war. Aber wie sollte sie dies ändern? Sie war gezwungen zu arbeiten, um wenigstens ihren Lebensunterhalt zu sichern, schließlich bot ihr Mompach ›Kost und Logis‹, wie er immer zu sagen pflegte. Würde sie kündigen, müsste sie sich schnell nach einer anderen Unterkunft umsehen und wäre auf staatliche Unterstützung angewiesen. Schon jetzt war das Geld knapp, doch dann wäre es noch viel schwieriger, Manuel wenigstens hin und wieder mit einem Ausflug oder einem Geschenk zu überraschen. Was wussten denn die in Berlin schon davon, wie es Menschen wie ihr erging, die tagtäglich mit jedem Cent kalkulieren mussten, obwohl sie schwer arbeiteten und ein Kind zu ernähren hatten? Der Staat hielt sich selbst an den Kleinsten und Ärmsten noch schadlos, indem er von dem wenigen, was sie mit ihrer Hände Arbeit verdienten, noch einen Teil wegnahm.
    Wenn in Sandra solche Gedanken hochstiegen, spürte sie unbändigen Zorn, der sich eines Tages Bahn brechen würde. Das waren jene Momente, in denen sie vor sich selbst erschrak. Wozu würde sie fähig sein, wenn sie eines Tages Zorn und Wut nicht mehr würde dämpfen können? In welches Unheil würde sie sich dann womöglich selbst stürzen? Ganz ungewollt, unkontrolliert, ohne ihr Handeln dann noch steuern zu können? Irgendwann, das wurde ihr von Tag zu Tag klarer, stand man mit dem Rücken zur Wand und hatte nur noch eine Chance: sich mit einem Angriff nach vorne zu wehren, einen Befreiungsschlag zu versuchen und jene aus dem Weg zu räumen, die nur danach trachteten, zum eigenen Wohle die anderen auszunehmen und zu versklaven.
    Sandra wankte wie in Trance zur Tür und trat aus der feuchtwarmen Luft der Stallungen hinaus in die herbstliche Kühle. Nebelschwaden waberten an den Halogenstrahlern entlang, sanfter Nieselregen nässte ihr Gesicht, als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel.
    Seit einigen Tagen fühlte sie sich bei ihrem Kontrollgang um den Gebäudekomplex des Aussiedlerhofes unwohl. Hatte sie früher furchtlos den Rundgang unternommen, so überkam sie nun ein undefinierbares Unbehagen. Der undurchdringliche Nebel trübte das gleißende Halogenlicht, sodass es kaum bis zum Boden reichte. Heute schien es ihr, als wolle die Natur ein weißes Tuch des Schweigens über diese Hofstelle legen.
    Aber wahrscheinlich war sie nach dem anstrengenden Gespräch nun besonders sensibel – und empfänglich für alles, was bedrohlich wirkte.
    Obwohl sie erschöpft und müde war, ging sie schnell an dem Kieselstreifen entlang, der den Gebäudesockel von dem Fahrweg trennte. Sie wollte den Kontrollgang so schnell wie möglich hinter sich bringen. Gleich würde sie das Ende der lang gezogenen Scheune erreichen, wo sich im Schutz von Gebäudekante und Böschung Mompachs geheime Feuerstelle befand.
    Sandra musste plötzlich an Dienstagabend denken, als es ihm sichtlich unangenehm gewesen war,

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