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Machtkampf

Machtkampf

Titel: Machtkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Bomm
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kritisiert hatte, dass die Schwaben sich erdreisteten, zu den Berliner ›Schrippen‹ einfach und banal ›Wecken‹ zu sagen, da waren sich Linkohr und Häberle einig, dass es höchste Zeit wurde, das Schwäbische bundesweit besser ins Bewusstsein der Menschen zu rufen.
    Was den Kriminalisten an diesem Samstagmorgen so sehr erstaunte, dass er seine liebste Bemerkung nicht unterdrücken konnte, war eine E-Mail der Staatsanwaltschaft Ulm, unterzeichnet vom Behördenchef höchstpersönlich. Häberle, der gerade erst beim Frühstück seine Frau Susanne darauf vorbereitet hatte, dass sie vermutlich wieder einmal ein Wochenende ohne ihn würde verbringen müssen, war zur Geislinger Dienststelle gefahren, um mit seinem Assistenten die bisherigen Erkenntnisse und das weitere Vorgehen zu besprechen. Bereits beim morgendlichen Gespräch mit Susanne, die als Außenstehende oftmals völlig neue Ideen ins Spiel brachte, war ihm klar geworden, dass bislang außer Mutmaßungen und dorfinternen Machtkämpfen kaum etwas Greifbares vorlag, um an Hartmanns Selbstmord juristisch einwandfrei zweifeln zu können. »Vielleicht habt ihr euch auch in etwas verrannt, weil die Uhren in so einem kleinen Dorf auf der Alb anders ticken als in der Stadt«, hatte Susanne zu bedenken gegeben.
    Und nun, so musste Häberle beim Lesen der langen Mail aus Ulm verärgert feststellen, sahen es wohl die Herren in Ulm genauso. Der neue Leitende Oberstaatsanwalt ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er weitere Ermittlungen für sinnlos erachte. »Die Obduktion der Leiche von Hartmann hat eindeutig ergeben, dass Schusskanal und Projektil einen Suizid als Todesursache belegen. Weitere vorgefundene Spuren führen nicht zwingend zu der Schlussfolgerung, dass eine andere Person bei Hartmann gewesen ist oder gar dessen Tod verursacht hat.«
    Nachdem auch Linkohr die ausgedruckten Zeilen überflogen hatte, sahen sich die beiden Kriminalisten ratlos an. »Das hat er doch tatsächlich heute, am Samstag, um 8.23 Uhr geschickt«, stellte Häberle resignierend fest und deutete auf den weiteren Text. »Ziemlich ungewöhnliche Zeit. Aber wenn man’s genau nimmt, hat er natürlich nicht ganz unrecht. Dass im Hochsitz ein Knopf gefunden wurde, besagt noch gar nichts. Der kann schon wochen- oder monatelang dort gelegen sein. Und dass dieser Sekt darauf hindeuten könnte, dass Hartmann noch jemanden erwartet hatte, erwähnt er schon gar nicht mehr. Nur …«, Häberle griff nach dem Ausdruck, »… die verschmutzten Stufen der Leiter nimmt er als Tatsache hin, die – so schreibt er hier ja – ›zeitlich nicht genau zuzuordnen sind und angesichts der anderen objektiven Spurenlage keinen weiteren Ermittlungsaufwand mehr rechtfertigen‹.« Häberle legte das Blatt wieder auf die Schreibtischplatte zurück und sinnierte: »Der neue Losta«, womit im Polizeijargon der Leitende Oberstaatsanwalt gemeint war, »geht ja ziemlich ran. Verschickt sogar samstags solche E-Mails.«
    »Das heißt, wir können nach Hause gehen«, stellte Linkohr enttäuscht fest, musste jedoch gleich an Vanessa denken, die um elf Uhr kommen wollte. Vielleicht konnten sie mit dem unerwartet freien Wochenende nun doch noch etwas anfangen. Allerdings, so dämpfte er selbst seine großen Erwartungen, hatte sie ihm bislang kein einziges Mal zu verstehen gegeben, wie ernst sie ihre Andeutungen meinte. Seit Tagen wachte er nachts auf und konnte beim Gedanken an Vanessa nicht mehr einschlafen. Sie war zwar eine absolute Karrierefrau, doch faszinierten ihn ihr Selbstbewusstsein und ihr energisches Auftreten. Manchmal allerdings überkamen ihn auch Zweifel, ob dies im Zusammenleben gut gehen würde. Aber so weit wollte er ja noch gar nicht denken. Viel zu oft war er in den vergangenen Jahren vom weiblichen Geschlecht enttäuscht worden.
    Und Vanessa, da war er sich ganz sicher, würde nicht in der Provinz bleiben wollen, – schon gar nicht, wo doch nun in Baden-Württemberg die Polizeireform anstand, Direktionen aufgelöst und nach dem Vorbild Bayerns große Präsidien entstanden. Auch Göppingen verlor damit die Direktion ans neue Präsidium Ulm – mit der Folge, dass sich viele Beamten an eine neue Dienststelle orientieren mussten. Und vermutlich würde Häberle, so wurde gemunkelt, diese Änderung gar nicht mehr mitmachen wollen und die Reform zum Anlass nehmen, in den Ruhestand zu gehen.
    So ein Tag wie heute, dachte Linkohr, konnte einen altgedienten Praktiker wie Häberle durchaus in solchen

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