Machtlos
Zugriff war gut vorbereitet und verlief unspektakulär in drei verschiedenen Stadtteilen gleichzeitig. Er erfolgte in den letzten Stunden der Nacht. Keiner der Männer und Frauen hatte Gelegenheit, die anderen zu warnen. Nur einer versuchte zu fliehen. Mayer selbst folgte ihm zusammen mit Martinez über Hinterhöfe und U-Bahn-Gleise. Sie stellten ihn, kurz bevor das MEK der Hamburger Polizei eintraf.
Mayer drückte den Mann schwer atmend an die Wand eines Altbaus und drehte ihm einen Arm auf den Rücken. Martinez zückte ein paar Handschellen. »Wie in alten Zeiten, Mayer«, bemerkte er grinsend, während er die Fesseln um die Handgelenke des Italieners schnappen ließ, der jede Gegenwehr aufgegeben hatte. »Aber früher warst du schneller. Du wirst alt.«
Mayer lächelte gequält. Seine Rippen in der Herzgegend schmerzten noch immer.
»Halt dein Maul, Don«, stieß er keuchend hervor.
Martinez’ Grinsen wurde noch etwas breiter. »Ah, kriegst du endlich wieder Luft?«
Die Vernehmungen schleppten sich dahin, bis endlich zwei der Festgenommenen einbrachen und die Details des geplanten Attentats preisgaben, dessen Ziel der amerikanische Präsident gewesen war. Keiner im Team der Anti-Terror-Einheit machte sich Illusionen darüber, was das bedeutet hätte.
»Sie hätten die Tat den islamistischen Fundamentalisten in die Schuhe geschoben«, bemerkte Mayer, als sie in einem der Besprechungsräume im Polizeipräsidium zusammensaßen, »und die Diskussion um Klimaschutz und Rüstungsstopp hätte sich damit von selbst erledigt.«
Martinez zerdrückte einen Pappbecher in seiner Hand und versenkte ihn mit einem gezielten Wurf in den Mülleimer neben der Tür. »Diese verdammten Bastarde hätten, ohne mit der Wimper zu zucken, einen Krieg in Kauf genommen.«
Marion Archer taxierte Martinez schweigend. Sie nahm sich vor ihm in Acht. Natürlich war sie wütend gewesen, dass sie nicht zum
Inner circle
gehört hatte und erst eingeweiht worden war, als alles vorbei war. Aber Archer war nicht der Typ, der sich lange mit solchen Dingen aufhielt, sie schaute nach vorn – zumal ihr aus den Staaten nach dem Ausfall von Burroughs und Miller die Leitung des amerikanisch-kanadischen Teams angetragen worden war. Martinez gehörte diesem Team an, aber wer auch immer Archer gebrieft hatte, musste sie vor ihm gewarnt haben.
»Ich hätte nicht geglaubt, dass Bob zu einem Verrat von solchem Ausmaß fähig ist«, sagte sie jetzt. »Ich kann es immer noch nicht glauben.«
»Burroughs ist ein verdammtes Schwein«, bemerkte Martinez. »Kein Verlust für uns. Schade nur, dass er nicht tot ist.« Er bedachte Schavan bei diesen letzten Worten mit einem kurzen Blick.
Schavan rang sichtlich um Fassung. Mayer legte unauffällig eine Hand auf den Arm des BKA -Mannes. Martinez hatte einiges dazu zu sagen gehabt, dass Schavan und Wetzel Burroughs hatten entkommen lassen. Worte, die Schavan die Zornesröte ins Gesicht getrieben und die Halsschlagadern hatte schwellen lassen, und Mayer hatte alle Hände voll zu tun gehabt, die Wogen wieder zu glätten. Sie konnten sich keine Streitereien innerhalb des Teams leisten. Ebenso wenig wie Medienrummel. Mit Hilfe der Hamburger Polizei war es gelungen, den Zwischenfall vor dem Steigenberger und die Entführung der Hotelangestellten herunterzuspielen. Die Geisel war glücklicherweise unversehrt geblieben, und so tauchte die Geschichte letztlich nur in einigen Zeitungen als kleine Randnotiz im Rahmen der Drogenkriminalität auf.
»Burroughs hatte keine Gelegenheit mehr, seine Auftraggeber in den Staaten zu warnen«, sagte Archer. »Ich habe soeben die Mitteilung erhalten, dass zwei Vorstandsmitglieder des maßgeblich beteiligten Rüstungskonzerns verhaftet worden sind.« Sie räusperte sich. »Ich denke, es wird in Kürze noch weitere Festnahmen geben.«
»Wir werden sie nicht alle am Sack kriegen«, warnte Martinez. »Nur die, die sie unbedingt opfern müssen.«
»Was ist mit John Miller?«, wollte Schavan wissen.
»Auf dem Weg zum Schafott«, sagte Martinez beiläufig.
Schavan zog eine Braue hoch.
»Millers Familie hätte eine Menge zu verlieren, wenn seine Verstrickungen in diese Affäre bekannt würden«, fügte Martinez hinzu.
»Aber …«, setzte Schavan an.
Martinez lächelte. »Zu spät.«
Die Öffentlichkeit erfuhr nie, was im Vorfeld des Gipfels passierte und dass Hamburg nur knapp dem Schicksal entgangen war, zu einem Synonym für globales Entsetzen zu werden. Nicht einmal der
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