Machtlos
zur Seite, und der Schuss zischte an seinem Kopf vorbei. Er ließ das Gewehr fallen, zog den Revolver, zielte und schoss, aber er traf nicht. Dann entdeckte er Valerie. Sie kauerte am Boden und starrte ihn aus angstgeweiteten Augen an. Luca packte sie, bevor Mayer erneut abdrücken konnte, und zog sie wie einen Schild vor sich. Hielt ihr seine Waffe an die Schläfe. »Ich bring sie um, wenn du schießt!«, schrie er auf Englisch. Seine Stimme war eine Nuance zu hoch, verriet seine Panik.
Mayer duckte sich schnell und eilte gebückt um das Haus herum. Luca würde versuchen, durch das Fenster zu entkommen, er ging davon aus, dass die Hütte in Flammen stand. Er war zu panisch, um zu bemerken, dass es sich lediglich um eine ungefährliche Rauchbombe handelte. Mayer feuerte wahllos in Richtung der Bäume und bog um die Hausecke. Es kam keine Antwort. Die beiden Männer, die er getroffen hatte, lagen noch vor dem Haus. Der eine ausgestreckt und reglos, der andere zusammengekrümmt. Mayer bemerkte selbst im Vorbeihasten seinen schnellen Atem, das Zittern seiner Gliedmaßen.
Er atmete einmal tief ein, bevor er ins Haus stürzte, durch das Zimmer hastete und die Tür am anderen Ende eintrat. Luca fuhr herum, sprang ihn an, doch Mayer war darauf vorbereitet und schlug ihn mit dem Gewehrkolben nieder.
Valerie schrie auf und hob schützend die Hände vor ihr Gesicht, als er näher kam. »Nein«, flehte sie. »Bitte nicht.« Sie war blass, ausgezehrt, ihre grauen Augen viel zu groß in dem schmalen Gesicht. Kein Stolz, keine Wut lagen mehr darin. Nur noch nackte, verzweifelte Angst. Sie drückte sich gegen die Wand, als wollte sie damit verschmelzen, und ihr Körper verkrampfte sich. Gleich würde sie sich erbrechen. Hastig zog Mayer die Sturmhaube vom Gesicht.
* * *
Tränen der Erleichterung sprangen Valerie in die Augen, als sie ihn erkannte. Gleichzeitig starrte sie ihn ungläubig an, als er, von Rauschschwaden umwogt, vor ihr in die Hocke ging und mit beruhigender Stimme auf sie einsprach. Das Blut rauschte in ihren Ohren, und sie verstand kaum, was er sagte. Sie konnte kaum glauben, was sie sah. Es war tatsächlich Mayer, Eric Mayer.
Woher kam er?
Er trug einen schwarzen Kampfanzug und Springerstiefel. Er war unrasiert und außer Atem …
»Valerie, hören Sie mir zu!«
Sie zuckte zurück, als er ihren Arm nahm und sie berührte.
»Wir müssen hier raus. Jetzt!«
Bevor sie antworten oder überhaupt reagieren konnte, knallte draußen ein Schuss. Mayer erstarrte in der Bewegung. Luca lag noch immer neben ihnen am Boden und rührte sich nicht. Sie hatte gesehen, mit welcher Wucht Mayers Gewehrkolben ihn getroffen hatte. Aber wo waren die anderen Männer? War Mayer allein gekommen, oder …
»Bleiben Sie hier sitzen und rühren Sie sich nicht von der Stelle. Ich komme gleich wieder«, befahl er ihr, zog ein Paar Handschellen aus einer seiner Taschen und band dem Rumänen die Hände auf den Rücken. Er drückte ihr Lucas Revolver in die Hand. »Er ist entsichert. Wenn hier jemand anders reinkommt als ich, zielen Sie auf seinen Bauch und drücken Sie ab – und achten Sie auch auf das Fenster.«
»Aber das Feuer …«, begann sie.
»Es gibt kein Feuer. Das war nur eine Rauchbombe.«
Dann war Mayer verschwunden.
Valerie umschloss die Waffe mit beiden Händen. Unterdrückte das Zittern, das durch sie hindurchfuhr, als ihr bewusst wurde, dass sie allein war. Allein mit Luca und mit allem, was durch die Tür oder das Fenster kommen würde. Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen.
Du hast eine Waffe.
Du darfst jetzt nicht die Nerven verlieren.
Ein Schatten tauchte am Fenster auf. Valerie brach der Schweiß aus. Sie kroch in die Ecke des Raumes, dort, wo es am dunkelsten war, in der Hoffnung, dass, wer auch immer dort draußen sein mochte, sie nicht bemerken würde. Sie atmete nicht. Und der Schatten verschwand. Die Schwaden beißenden Qualms, die über den Boden waberten, verzogen sich allmählich. Von draußen hörte Valerie Stimmen. Jemand rief. Sie kannte diese Stimme, diesen zynischen Tonfall.
»Eric, spiel nicht den Helden. Gib mir die Frau, und ich vergesse das Ganze hier.«
Valeries Finger krampften sich um den Griff der Waffe. Wieso war Burroughs hier? War er Mayer gefolgt, oder wie hatte er Lucas Versteck gefunden? Der Rumäne hatte vor ihr damit geprahlt, wie er den Amerikaner hatte auflaufen lassen, wie er mehr Geld verlangt hatte.
»Verschwinde, Bob«, hörte sie Mayers Stimme. »Ich bin
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