Machtlos
schützen?“
Lexia zog überrascht eine Augenbraue hoch. Ihre Mentorin hatte in ihrer Ausbildung immer wieder betont, dass die Schwarzen und insbesondere die Torwächter, die unter Menschen lebten, keinem Drachen trauten, der eine andere Schuppenfarbe als er selbst hatte. „Und das Leben von Victoria unter meine Schwingen zu stellen, erfordert ganz gewiss Vertrauen! Die Gefährten sind anders – schon in Nordschweden waren auch Weiße und sogar ein Blauer dabei. Und wenn ich richtig informiert bin, wohnt der ehrenwerte Hoggi zurzeit sogar hier…“
Sie dachte an die Leitsätze der Goldenen, den Ehrenkodex und daran, dass Jalina in den offiziellen Versammlungen immer wieder betont hatte, wie wichtig die Gefährten für die Drachen waren. Dann verbeugte sie sich und sagte feierlich: „Ich verspreche dir, Jaromir Custos Portae, dass ich deine Gefährtin begleiten werde, wann immer du es wünscht. Ich werde sie bei Gefahr mit meinem eigenen Leben schützen.“
Jaromir erstaunte diese Reaktion. Das hatte er nicht von einer Goldenen erwartet – nicht nach allem, was er in letzter Zeit über Abrexar mitbekommen hatte. Er verneigte sich ebenfalls und sprach würdevoll die zeremoniellen Worte: „Danke Lexia von den Goldenen. Ich nehme dein Versprechen an und werde es einfordern, wenn die Zeit es erfordert.“
30. Nodexter
Am nächsten Tag zog Lexia mit ihrer Dienerin Tujana im Haus Brookstedt ein. Albert hatte ein Quartier direkt neben Mandolan vorbereitet. Der alte Schwarze war noch immer misstrauisch, was die Adeptin und ihre Gesinnung betraf und hatte darauf bestanden, dass er sie im Auge behalten konnte.
Lexia inspizierte die Räumlichkeiten. Ihre Dienerin hielt sich währenddessen dezent im Hintergrund und stand bereit, falls sie benötigt wurde.
Tujana war der erste grüne Drache, den Victoria zu Gesicht bekam. Bei der Landung hatte sie einen kurzen Blick auf ihre Drachengestalt erhaschen können. Sie war ungefähr so groß wie Jaromir und damit deutlich kleiner als Lexia. Die Farbe ihrer Schuppen changierte im Sonnenlicht und reichte von einem frischen Maigrün bis zu einem unglaublichen Grünton, der Victoria an einen tiefen Waldsee denken ließ. Jede Schuppe war von einem leuchtenden, fast schon metallischen Glanz überlagert. Victoria konnte sich gar nicht sattsehen. Tujana hatte nicht Lexias Anmut, doch für die Gefährtin war sie der Inbegriff von Lebendigkeit.
Dann hatte sie sich verwandelt. Tujana war in ihrer Menschengestalt ungefähr Dreißig und wirkte irgendwie irisch. Sie war einen Kopf größer als Victoria und hatte eine sehr weibliche Figur. Ihre Haut war hell und mit unzähligen Sommersprossen übersät. Das freundliche Gesicht wurde von kupferorangenen Locken umrahmt und die meergrünen Augen versprachen Wärme und Verständnis. Victoria fand sie auf Anhieb sympathisch.
Tujana war unaufdringlich, aber aufmerksam. Sie war bemüht, Lexias Wünsche zu erahnen, bevor die sie überhaupt verspürte.
Gerade seufzte Lexia tief.
Tujana verneigte sich. „Darf ich dein Gepäck aus der Himmelszitadelle holen, Meisterin?“, fragte sie mit melodischer Stimme.
Lexia drehte sich um und nickte abwesend. „Ja, mach das bitte.“ Sie selbst würde heute ganz sicher nicht noch einmal durch die Nebel springen – nicht, wenn sie es vermeiden konnte.
Dann fiel ihr noch etwas ein: „Ach, und Tujana…?“
„Ja, Meisterin?“
„Während wir im Haus Brookstedt logieren, bin ich Frau Beljajew für dich. Wir sind Menschen und müssen uns auch so verhalten.“
Wieder verneigte sich Tujana. „Wie du wünscht… Frau Beljajew.“
Victoria lächelte und erklärte freundlich: „Tujana, du musst deine Meisterin siezen. Wir Deutschen siezen Unbekannte und Respektspersonen.“
Tujana nickte. Sie erinnerte sich an das kurze Briefing über die wichtigsten menschlichen Gepflogenheiten vor ihrem Aufbruch. Es war so viel, was sie plötzlich wissen musste. Sie verneigte sich erneut. „Wie Sie wünschen Frau Beljajew.“
Lexia nickte abwesend und die Grüne verschwand lautlos aus dem Raum.
Victoria freute sich darauf, Tujana in den nächsten Wochen näher kennenzulernen. Jaromir hatte ihr im Vorfeld erklärt, dass sie sehr vorsichtig mit der Beziehung von Lexia und Tujana umgehen musste. Das Verhältnis erschien Victoria wie eine Form der Sklaverei und das war es wohl auch. Die Grünen dienten den Goldenen seit Jahrhunderten und das war eine Tatsache, die nicht zur Diskussion stand. Die Gefährten waren
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