Machtlos
eher so wie in Jaromirs Räumen oben. Und es soll zum «Wohlfühlen» sein, wie Victoria mehrfach angemerkt hat. Mal sehen…“
Er schloss kurz seine Augen und als er sie wieder aufschlug, öffnete er seinen Geist. Victoria sah eine neue Eingangshalle: viel Licht, einen hellen Marmorfußboden mit feinen dunkelbraunen Ornamenten. Edle Kristallleuchten strahlten von hellen Wänden und der Decke. Moderne Gemälde hingen an den Wänden und diverse opulente Dekorationsgegenstände rundeten das Bild ab.
In diesem Moment betrat Tujana die Halle. Die Grüne hielt sich im Hintergrund, sah nicht einmal zu ihnen herüber, doch Victoria spürte ihr Interesse am Entwurf des Künstlers.
Victoria lächelte Nodexter an. Sein Entwurf war umwerfend! Edel und feudal, aber nicht überkandidelt und auf alle Fälle hell. Viel besser als die bedrückende Halle, wie sie jetzt war. Sie atmete innerlich auf.
Und doch… und doch fühlte sich das nicht nach «zu Hause» an. Victoria konnte gar nicht genau sagen, was sie störte, aber…
Nodexter fixierte sie mit seinen scharfsichtigen Augen. „Ich sehe schon, dass mein Vorschlag nicht deine Erwartungen erfüllt.“ Er legte seinen Kopf schief: „Was stört dich? Wie hättest du es gern?“
Victoria holte Luft und öffnete ihren Mund. Dann schloss sie ihn wieder und dachte: „Ja, wie hätte ich es denn gern?“ Sie konnte es nicht genau sagen. Schließlich meinte sie: „Ich weiß nicht... Dein Entwurf ist atemberaubend und ich finde die Halle sehr schick! Ich weiß auch, dass allein schon aufgrund unserer Stellung unter euch Drachen eine einfache Ikea-Einrichtung unpassend wäre, aber irgendwie ist mir das hier eine Spur zu luxuriös – einfach too much…“
Victoria blickte Nodexter entschuldigend an und sah dann zu Jaromir. Sie spürte, dass ihr Gefährte den Entwurf des Schwarzen sofort genommen hätte.
Jaromir lächelte und griff ihre Hand. „Das ist schon ok, Kleines! Dafür sind wir heute ja hier. Es wird unser beider Haus.“
Nodexter wiegte seinen Kopf hin und her und murmelte: „Hmmmm… nicht so luxuriös… aber trotzdem angemessen für die Gefährten. Schick, aber irgendwie auch nicht…“
Dann sah er sie wieder mit seinen stahlblauen Augen an. „Hast du ein Bild für mich? … Ich meine, was gefällt dir? Wo fühlst du dich zu Hause?“
Victoria sah ihn fragend an.
Nodexter grinste: „Weißt du was? Mach mal die Augen zu und lass dich von deinen Gefühlen leiten. Ich kenne einen Zauber, der Erinnerungen an Orte freisetzt, an denen man sich besonders wohl gefühlt hat.“
Tujana betrat erneut die Halle. Diesmal war sie schwer mit Lexias Gepäck beladen. Sie ging entsprechend langsam und ihr Interesse war noch gewachsen.
Victoria konnte in den Gedanken des Künstlers keine Hinterlist erkennen, also schloss sie gehorsam die Augen und öffnete ihren Geist.
Sie erfasste nicht ganz, was der Schwarze Drache machte, doch plötzlich stiegen in ihr Bilder von ihrem Elternhaus auf. Ein wohliges Gefühl von Geborgenheit und zu Hause füllte sie aus. Darunter mischten sich der Garten mit der Schaukel am alten Apfelbaum, der Deich, der Strand, die Elbe, sogar der Marktplatz von Glückstadt mit seiner weißen Kirche und dem Kandelaber in der Mitte. Schließlich folgte der Geometrieübungsraum, die umgestürzte Eiche im Projensdorfer Gehölz, frisches Grün, ein herrlich weiches Moosbett in der Dämmerung umringt von unzähligen, sanft flackernden Windlichtern, ein Picknick und ein schwarzer Drache direkt über ihr in der Luft …
„Ich glaube, das reicht jetzt, Kleines!“ , schaltete sich Jaromir sanft ein. Victoria öffnete ihre Augen und schloss die Gedankenvorhänge. Sie wurde rot und spürte, dass die Erinnerungen an ihr erstes Date auch in Jaromir romantische Gefühle geweckt hatten. Seine warmen, braunen Augen leuchteten hell und ließen warmes Glück in sie hineinrieseln. Sie würde sich jetzt gern mit etwas ganz anderem als Innenarchitektur beschäftigen.
Jaromir lächelte schief. „Nicht nur du…“
Nodexter stand schon wieder in Grüblerpose vor ihnen. Doch er konnte seine Faszination über die Beziehung der beiden nicht aus seinen Gedanken verbannen. „Ich gehöre zu den wenigen Personen, die die Gedanken der Gefährtin gesehen hat – der ersten seit ewigen Zeiten. Unfassbar!“
Er schluckte beeindruckt und erklärte dann betont gelassen: „Ach, das ist ja schon mal eine ganze Menge. Es wird nicht leicht, aber damit kann ich arbeiten.“
Victoria
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