Machtlos
hervor. Jaromirs beunruhigende Aura machte ihn nicht gerade zu einem Typen, der Frauen anzog.
Diese Probleme würden Lenir und Kerstin jedenfalls nicht haben.
32. Eine Grüne Träne
Sharrah ging es nicht gut. Gar nicht gut. Schon seit Tagen nicht. Sie war vor fünf Wochen aus der Zitadelle der Goldenen geflohen. Zuerst war sie ziellos umhergeirrt und aus Angst entdeckt zu werden, nie länger als ein paar Stunden an einem Ort geblieben.
Doch dann hatte sie Zuflucht bei einem ehemaligen Schlüpfling gefunden. Seine Schuppenfarbe war weder grün noch golden, doch das war egal. Er behandelte sie mit einem nie gekannten Respekt und zum ersten Mal in ihrem Leben wurde sie von einer anderen Art nicht nur als Dienerin wahrgenommen.
Die Übelkeit wurde übermächtig und Sharrah musste sich erbrechen. Das war bestimmt schon das zehnte Mal heute. Sie zitterte am ganzen Leib und Schmerzen durchzuckten ihre Muskeln. Was war nur mit ihr los? Entkräftet sank sie auf ihr Lager zurück.
Alles hätte so schön sein können. Hier waren noch andere Drachen und alle waren freundlich zu ihr. Sie hatte sogar eine Aufgabe gefunden, die ihr wirklich Spaß machte. Sie unterrichtete drei Jungdrachen in Heizungssystemen. Ihre Arbeit unter der Bruthöhle hatte sie eigentlich nie gemocht, doch jetzt war das etwas anderes. Die Jungspunde waren flegelhaft und überschäumend, aber wissbegierig. Und sie schätzten Sharrah und ihre Kompetenz. Die Grüne wusste einfach, wie sie die drei nehmen musste.
Sharrah drehte sich um und die Schmerzen in ihrem Kopf explodierten. Vor einer Woche hatte es angefangen. Da hatte sie leichte Kopfschmerzen bekommen und seitdem fühlte sich matt. Sie hatte gedacht, das käme einfach nur von den Strapazen und der Anspannung der Flucht.
In den ersten Wochen hatte sie jeden Tag befürchtet, die Goldenen würden nach ihr suchen, doch das war nicht passiert. Ihre Freunde hatten vorsichtig Erkundigungen eingezogen und herausgefunden, dass die Goldenen einer verunglückten Grünen keine Träne nachweinten.
Als Sharrah endlich glauben konnte, dass sie sicher war, fühlte sie sich tief erleichtert, aber eben auch sehr erschöpft.
Dann waren die Kopfschmerzen schlimmer geworden. Schließlich hatte sie Schüttelfrost bekommen und Gliederschmerzen. Und diese entsetzliche Übelkeit gab ihr jetzt den Rest.
„Ich komme einfach nicht wieder zu Kräften… Ich kann nicht mal Tornarosentee bei mir behalten“ , dachte Sharrah verzweifelt.
Sie fühlte sich seit zwei Tagen richtig ausgezehrt. Sie war keine Heilerin, doch sie war eine Grüne und damit wusste sie, dass sie sterben würde, wenn sie nicht endlich etwas Flüssigkeit bei sich behalten konnte.
Ihre Freunde waren tief bestürzt und kümmerten sich rührend um sie. Sie wollten sogar nach einer grünen Heilerin schicken, doch dagegen hatte Sharrah sich vehement gewehrt. Lieber starb sie, als dass sie zu den Goldenen zurückkehrte.
Sie musste eingenickt sein. Als Sharrah erwachte, atmete sie schwer. Sie konnte sich kaum noch rühren, so sehr hielten die Schmerzen sie gefangen.
Sie hörte besorgte Stimmen um sich herum. Sie wollte ihre Augen öffnen, doch es gelang ihr nicht. Sie spürte, wie jemand behutsam über ihre Flügel strich und ihr Mut zusprach.
„Nicht mal mehr in die Nebel springen kann ich. Was für ein unwürdiges Ende“ , dachte sie bitter.
„Bleib bei uns!“ , hörte sie eine flehende Gedankenstimme. „Bitte verlass mich nicht!“
Das war ihr ehemaliger Schlüpfling.
„Jetzt haben wir die Rollen getauscht“ , dachte sie gerührt und wusste, dass er bis zu ihrem letzten Atemzug an ihrer Seite sitzen würde. Sie wollte sich bei ihm entschuldigen, für die Umstände, die sie ihm gemacht hatte, aber zum Senden war sie schon zu schwach.
Eine einzelne Träne rann aus ihrem Augenwinkel.
Ein beschwerlicher Atemzug.
Und noch einer.
Dann wurde Sharrah von gnädiger Schwärze umfangen, die alles Leid auslöschte.
33. Roter Besuch
Der Tag nach Abrexars Besuch war ein Freitag. Am Vormittag hatten Jaromir und Victoria zum ersten Mal gemeinsam Rechtskundeunterricht bei Hoggi und für den Nachmittag standen wieder ein paar Audienzen auf dem Programm.
Jaromir war unmotiviert. Er wäre viel lieber mit Narex und Lenni an die Uni gefahren, um das Tor noch einmal zu untersuchen. Aber Mandolan hatte großzügig angeboten, ihn zu vertreten, damit der Gefährte keinen Unterricht versäumte.
„Ach, komm Jaro, so schlimm ist es nun auch nicht. Hoggi
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