Machtlos
zuverlässig abschirmen kann, darf sie keine Besucher empfangen“, stellte Abrexar kühl fest.
Lenir sah seinem Mentor trotzig in die Augen: „Das ist mir klar. Und ich versichere dir, dass wir nicht Däumchen drehen, sondern hart arbeiten!“
„Und warum ist sie heute nicht hier?“, fragte sein Mentor vorwurfsvoll.
„Weil sie bei ihrem Pferd ist. Sie hat auch Verpflichtungen, musst du wissen und die nimmt sie sehr ernst. Außerdem wollte ich die Fortschritte der letzten Woche nicht zunichtemachen, indem ich sie gleich wieder überfordere“, gab Lenir gereizt zurück.
„Welche Fortschritte denn?“, erkundigte sich der alte Schwarze gefährlich ruhig. „Sie ist eine Gefährtin! Sie gehört hierher und nicht zu einem Pferd.“
Victoria spürte sofort, dass es hier in Wahrheit nicht um Kerstin ging. Abrexar hatte Jaromir und Lenir als Jungdrachen vor Augen: Der eine war stets bemüht und strebsam und erlernte alle Zauber mit Bravur. Der andere hatte vor allem sein Vergnügen und Wettkämpfe im Kopf und machte ansonsten nur das Nötigste. Abrexar führte Kerstins Probleme ganz eindeutig auf Lenir und seine Arbeitseinstellung zurück und hatte das Gefühl, seinem Schüler mal wieder Dampf machen zu müssen.
Jaromir hatte alles über die Verbindung mitbekommen. Er sah seinen Mentor ernst an. „Lenir gibt sein Bestes. Und Victoria und ich teilen die Einschätzung, was seine Gefährtin angeht. Kerstin BRAUCHT Zeit und Abstand. Es ist besser, wenn wir sie erst mal in Ruhe lassen. Lenir macht seine Sache gut!“
Abrexar sah ihn misstrauisch an. Die beiden hatten schon immer zusammengehalten.
„Aber er hat recht, Abrexar“, mischte sich Victoria ein. „Du hast vor ein paar Monaten selbst mehrfach betont, wie ungewöhnlich meine Begabung für die Magie ist, selbst für eine Gefährtin. Wann hast du das letzte Mal einen normalen Menschen unterrichtet, der null Ahnung von Magie hatte?“
Insgeheim stimmte Abrexar Victoria zu. Er schwieg noch immer, beruhigte sich nun aber langsam wieder.
„Kerstin ist einfach anders als ich“, fuhr Victoria fort. „Ihr liegt zum Beispiel die Mathematik nicht so sehr wie mir. Sie denkt ganz anders als ich und mit abstrakten Dingen kommt sie nicht so klar. Dafür hat sie andere Stärken.“
„Welche denn?“, wollte der alte Schwarze wissen.
Victoria bemerkte, dass diese Frage nicht verächtlich gemeint war, sondern, dass er strategisch dachte. Wie ein Kartenspieler wollte er sein Blatt kennen, bevor er mit dem Reizen begann.
Victoria blickte ihm direkt in die Augen. „Sie ist eine treue Freundin, hat eine Wahnsinnsorientierung und was den Sport angeht, da könnte ich ihr nie das Wasser reichen. Ohne sie hätte ich es im Leben nicht rechtzeitig auf das Ehrendenkmal in Laboe geschafft!“
Abrexar nickte. „Leider bringen mir Freundschaft, ein guter Orientierungssinn und körperliche Fitness nichts“ , dacht er noch immer leicht verstimmt.
Sein berechnendes Verhalten stieß Victoria sauer auf.
„Ich weiß, dass das verletzend ist“ , meldete sich Jaromir vermittelnd, „aber nur so hat er während der Torkriege und der Zeit danach überleben können.“
Abrexar seufzte. Dann schlug er einen versöhnlichen Ton an: „Also gut. Kerstin bekommt die Zeit, die sie braucht. Aber bitte lasst nicht locker. Sie muss die Magie beherrschen und vor allem muss sie sich uns Drachen zugehörig fühlen. Je eher das passiert, desto besser ist es.“
„Dafür werde ich sorgen“, versprach Lenir ernst.
„Gut“, entgegnete sein Mentor und schloss das Thema damit ab.
In diesem Augenblick betrat Albert den weißen Salon und servierte den ersten Gang: Pfifferlingsomelette mit frischen Kräutern.
Abrexar blickte lächelnd auf seinen Teller und fragte im Plauderton: „Und wie läuft es mit Lexia?“
„Wie erwartet“, gab Jaromir zurück. „Sie versucht, ihre Rolle als Trauzeugin auszufüllen. Sie trainiert täglich, um als Mensch durchzugehen und wird immer überzeugender. In ein paar Tagen können wir ein erstes Treffen mit Victorias Freunden wagen. Ansonsten versucht sie dezent mehr über uns zu erfahren. Im Moment speist sie gerade mit Hoggi, Mandolan und Narex.“ Er grinste. „Mandolan passt auf wie ein Schießhund, dass die beiden anderen nichts ausplaudern.“
„Irgendwelche gefährlichen Pläne bei der Adeptin?“, hakte Abrexar nach.
„Nein“, antwortete Jaromir kopfschüttelnd. „Aber dafür haben Victoria und ich gestern einen Rollentausch miterlebt. Lexia
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