Machtlos
Pergamenten der Großen Bibliothek oder aus den Erinnerungen meiner Mentorin. Das möchte ich ändern – denn erst jetzt kann ich meine eigenen Erfahrungen sammeln … und mir scheint, dass sich meine Rasse unbedingt auch mit den technischen Entwicklungen der Menschen auseinandersetzen sollte.“
Victoria blickte die Goldene skeptisch an, doch in ihrem Kopf entwickelte sich eine Idee.
Lexia sah ihre Miene und versprach: „Ich werde keinen deiner Freunde mit Absicht schlecht behandeln oder gar verletzen, das schwöre ich dir bei meiner Ehre als Adeptin des Großen Rates. Ich bin sehr gespannt auf all die Dinge, die ich durch J, Kerstin, Sabine, Felix und Falk lernen kann.“ Als das letzte Gesicht in ihren Gedanken auftauchte, mischte sich ungewollt eine von Falks Fantasien darunter. „Das ist ja lächerlich“ , dachte Lexia leicht genervt.
Victoria grinste. „Gut. Wenn es für Dich ok ist, dann läuft alles erst mal so weiter. Aber bitte, sag uns Bescheid, wenn dir das unangenehm wird. Wir finden bestimmt eine Lösung, ohne dass die Himmelszitadelle davon erfahren muss.“
Lexia sah die Gefährtin nachdenklich an. Victoria überraschte sie immer wieder. Sie war keineswegs so, wie Jalina die Gefährtin hinter vorgehaltener Schwinge schilderte. Die Augen der Goldenen spiegelten zum ersten Mal seit ihrer Ankunft im Haus Brookstedt das wider, was sie wirklich dachte. Dann nickte sie.
„Warum tust du das?“ , wollte Jaromir von Victoria wissen.
Victoria zeigte ihm im Geist, dass sie vorhatte, Lexias Argumentation für sich selbst zu nutzen und so offiziell mit Tujana in Kontakt treten zu dürfen.
„Oh – du warst eindeutig zu oft mit Abrexar zusammen. Der färbt so langsam auf dich ab und deine Strategie könnte sogar klappen. Du wirst mir ja richtig unheimlich, Vici… Ich bin schon gespannt, ob Lexia es dir erlaubt.“
Victoria lächelte still und entgegnete: „Lexia ist mir sympathischer, als es Abrexar lieb sein kann. Sie ist vor allem anders und mit dem Anderssein kenne ich mich aus.“ Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Milchkaffee. Die Zimtnote und der Milchschaum waren wie immer perfekt auf den Kaffee abgestimmt. „Außerdem habe ich genug von den Heimlichkeiten. Abrexar würde das ganz bestimmt anders machen.“
Lexia drapierte kunstvoll ein paar Scheiben Tomate mit Mozzarella auf ihrem Teller. Sie dachte noch immer über die ungewöhnliche Art der Gefährten nach. In den letzten zwei Wochen hatte sie den Eindruck gewonnen, dass insbesondere Victoria sehr daran lag, dass sie sich hier wohlfühlte und dabei stand die Gefährtin in keiner Weise in ihrer Schuld.
Victoria sammelte sich innerlich. Sie wollte Lexia überzeugen, aber die Art wie sie das vorhatte, war schon irgendwie ein bisschen hinterhältig. Schließlich sah sie Lexia ernst an und sagte: „Du meintest eben, meine Welt sei dir fremd. Das geht mir mit deiner nicht anders. Vieles von dem, was Jaro mir von euch Drachen erzählt, kann ich kaum glauben und erst recht nicht begreifen. Aber jetzt bin ich Teil dieser Welt und möchte euch verstehen. Auch deine Artgenossen erwarten, dass ich mich einfüge. Hoggi bringt mir sehr viel bei, aber das reicht mir nicht. Ich bin wirklich froh, dass du den Auftrag angenommen hast – so kann ich wenigstens eine Goldene persönlich kennenlernen.“
Lexia nickte höflich, aber hinter ihren Gedankenvorhängen schlich sich Misstrauen ihn ihren Geist.
„Auch Tujana würde ich gern näher kennenlernen“, sprach Victoria unbeirrt weiter. „Doch sie antwortet immer nur das Nötigste und versucht, sich praktisch unsichtbar zu machen, dabei scheint sie mir eigentlich aufgeschlossen und neugierig zu sein.“
Die Adeptin nickte wieder. „Dieses zurückhaltende Verhalten wird von einer guten Dienerin erwartet. Normalerweise unterhält sich niemand mit einer Grünen, es sei denn, es geht um eine Anweisung.“
„Das habe ich mir gedacht“, antwortete Victoria, „und ich möchte mich mit Sicherheit nicht in eure Kultur einmischen oder die Beziehung zwischen den Goldenen und Grünen in Frage stellen – doch das möchte ich eigentlich schon! – Es würde mir helfen, die Grünen und ihre Arbeit zu verstehen, wenn ich mich mit ihr unterhalten könnte, ohne dass Tujana Angst haben muss, gegen irgendwelche Regeln zu verstoßen.“
Lexia dachte nach. Warum sollte irgendjemand versuchen, die Grünen und deren Arbeit zu verstehen? Sie waren doch nur Dienerinnen! Was gab es da denn sonst noch zu
Weitere Kostenlose Bücher