Machtlos
zurück.
Tujana griff nach Victorias Arm. „Das tut mir leid. Es war nicht meine Absicht, dich zu erschrecken.“
Gleich darauf fühlte sich Victoria wieder leicht und fröhlich. Der dunkle Schatten auf ihren Gedanken war verschwunden. Sie legte ihren Kopf schief und fragte neugierig: „War das ein Zauber?“
Tujana nickte. „Wir Grünen nehmen Stimmungen intuitiv wahr und können sie auch beeinflussen.“
„Beeindruckend!“, seufzte Victoria erleichtert. Sie hätte zu gern gewusst, wie man das hinbekam, doch im Moment interessierte sie etwas anderes noch mehr. Sie schlenderten weiter im Sonnenschein durch den Park und Victoria fragte: „Wie kommt es eigentlich, dass das Volk der Grünen komplett bei den Goldenen lebt. War das schon immer so?“
„Nein“, antwortet Tujana kopfschüttelnd, „vor den Torkriegen lebte mein Volk in kleinen autonomen Gruppen meist in der Region um den Äquator, mit Vorliebe im Regenwald.“
Victoria lächelte. In der üppigen Vegetation konnte sie sich die Grünen sehr gut vorstellen. Der Regenwald war der Inbegriff von Leben und genauso empfand sie Tujana. „Warum seid ihr nie zurückgekehrt?“
In den Augen der Grünen lag nun Entschlossenheit. „Nachdem alle Tore versiegelt waren, hatten wir noch jahrzehntelang Patienten, die nicht transportiert werden durften. Wir hätten sie niemals verlassen, denn für uns hat jedes Leben einen unermesslichen Wert. Wenn wir Leiden lindern können oder eine Chance auf Heilung sehen, dann MÜSSEN wir uns des Patienten annehmen! Das war der einzige Streitpunkt, den wir während der Kriege mit den Goldenen hatten und danach haben sie sich bei diesem Punkt nicht mehr eingemischt.“
In diesem Moment wirkte Tujana kämpferisch und unnachgiebig wie noch nie. Victoria war sich sicher, dass man bei den Grünen in den besten Händen war, wenn man Hilfe brauchte.
Die Gefährtin nickte: „Das kann ich gut verstehen. Jaromir und Hoggi haben mir schon von euren legendären Fähigkeiten berichtet. Als wir verletzt in Nordschweden ankamen, wollte Hoggi gleich nach einer von euch schicken. Die Drachen, die von euch behandelt werden, können sich glücklich schätzen.“
Tujana freute sich über die Anerkennung, auch wenn sie nicht ihr persönlich galt.
„Aber trotzdem, warum ist denn nicht nur ein Teil von euch bei den Verletzten geblieben und der Rest in die Wärme zurückgekehrt?“, wollte Victoria wissen.
Ein Hauch von Sehnsucht spiegelte sich auf Tujanas Gesicht, als sie antwortete: „In den ersten Jahrzehnten nach dem großen Krieg waren wir nur noch sehr wenige. Wir hätten uns gar nicht aufteilen können. Und die Tore rissen immer wieder auf – die Gefahr war nicht restlos gebannt. Wir sind Heiler und keine Krieger. Unser Hauptlazarett war in der Himmelszitadelle der Goldenen eingerichtet worden, da die Dämonen in dieser Gegend kaum Nahrung fanden. Hier war es einfach sicher für uns.“
„Und später dann? Ich meine, irgendwann waren die Tore doch wirklich zu und ihr wieder viele, oder?“
Tujana nickte niedergeschlagen: „Ja, irgendwann war die Welt wieder sicher, die Kranken genesen und unsere Zahl wieder groß genug für den Auszug. Es soll sogar schon Pläne für die Rückkehr in unsere alten Zitadellen gegeben haben, aber dann wurden wir… wir verloren … ich meine, wir…“
Victoria spürte, wie sehr die Grüne die Antwort auf ihre Frage bedrückte. Sie konnte unklare Bilder von leeren Bruthöhlen im Geist der Grünen sehen und große Trauer, als ob ihr irgendetwas genommen worden war.
Sie legte ihre Hand sacht auf Tujanas Arm: „Du musst mir das nicht erzählen, wenn du es nicht möchtest.“
Doch Tujana schüttelte energisch ihren Kopf: „Doch! Ich will es dir erzählen. Wir Grünen reden sonst so gut wie nie darüber und ersticken fast daran. Dabei ist es so offensichtlich und jeder Drache weiß es!“
Sie sah Victoria trotzig direkt in die Augen und rief: „Wir Grünen sind unfruchtbar! Wir, die jedes Leben verehren und so hoch schätzen, können kein neues Leben schenken, Victoria. Seit den Dämonenkriegen ist unser Schoß vertrocknet wie eine verdorrte Backpflaume. Wir steigen ja nicht mal mehr zum Paarungsflug auf!“
Tränen liefen über Tujanas Wangen, als sie leise weitersprach: „Die Goldenen haben unserem Leben einen neuen Sinn gegeben. Sie haben uns gezeigt, dass wir auch weiterhin gebraucht werden – als Heilerinnen und als Dienerinnen. Sie finden für jede von uns einen Platz, an dem unser
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