Machtlos
zwinkerte Kerstin zu. „Während eurer Sitzung hat er alle zwei Minuten gefragt, ob ich nicht doch wüsste, was ihr euch stechen lasst. Außerdem musste ich ihn mehrfach überzeugen, nicht selbst in deinem Geist nach Antworten zu suchen.“
„Ha! Alter Verräter!“, meckerte Lenir. „Immerhin habe ich es nicht gemacht.“
„Und das ist auch gut so“, sagte Kerstin lächelnd und gab Lenir einen Kuss. „Brav, mein Großer. Und dir vielen Dank, Jaromir!“
Jaromir verneigte sich. „Immer wieder gern, Kerstin.“
Dann nahm er Victoria in den Arm und küsste sie zärtlich. „Und seid ihr zwei beim Shoppen fündig geworden?“
„Na, du bist ja auch gar nicht neugierig, Jaro! Ich denke, du wirst es heute Abend herausfinden.“
„Oh, du trägst es schon?“ Seine Augen begannen zu leuchten. Er küsste sie leidenschaftlich und weckte damit augenblicklich die Schmetterlinge in Victorias Bauch.
„Das habe ich nicht gesagt…“ , gab Victoria unbestimmt zurück, doch Jaromir war überzeugt, dass es so war.
„Bist du sicher, dass wir noch ins Kino wollen?“, flüsterte er mit rauer Stimme und nahm sie fester in den Arm.
Als er das Tattoo berührte, zuckte Victoria zurück und löste sich aus seinem Arm. „Ja, ich will ins Kino.“
Jaromir stellte besorgt fest: „Dir geht es nicht gut. Alles in Ordnung?“
Das war es nicht, doch Victoria nickte tapfer. Aus dem Jucken war mittlerweile wieder ein unangenehmes Brennen geworden. Kerstin ging es bestens – sie ertrug das alles viel gelassener! Victoria hatte beschlossen, dass sie keine Mimose sein wollte. Auf keinen Fall wollte sie Jaromir sein Geschenk verderben, also meinte sie zuversichtlicher als sie sich fühlte: „Es ziept nur etwas und anfassen ist auch schlecht. Aber das wird schon wieder.“ Sie konzentrierte sich kurz und dann gelang es ihr leidlich, den Schmerz vor Jaromir zu verbergen.
Schließlich blickte sie zum Eingang.
Lenir und Kerstin sahen neidisch zu ihnen herüber. Solche Küsse führten bei ihnen zwangsweise zu Lenirs Verwandlung.
„Ich kann euch versprechen, dass das nicht ewig andauern wird“, sagte Victoria mit einem schiefen Lächeln. „Und jetzt kommt, sonst verpassen wir noch den Anfang.“
Am Eingang standen ein paar Kommilitonen und beobachteten die vier fassungslos. Waren das nicht Kerstin und dieser Norweger? Und vor allem, was machten die Streberin und Professor Unheimlich da? Hatten die sich wirklich gerade eben filmreif geküsst?!
Einer von ihnen starrte Victoria an und flüsterte viel zu laut: „Ist so was überhaupt erlaubt? Er ist doch ihr Professor!“ Verächtlich lachend dachte er weiter: „Ach, darum hat sie immer so gute Noten! Bestimmt hat sie auch schon mit Professor Lorenz rumgemacht.“ Das stellte er sich dann auch bildlich vor.
Victoria wurde wütend. Sie war, was die Gedanken ihrer Mitmenschen anging, bei weitem noch nicht so abgebrüht wie Jaromir. Der konnte mit einer stoischen Gelassenheit über so was hinwegsehen, aber sie nicht! Außerdem ging ihr das Brennen auf ihrer Schulter auf den Geist und machte sie reizbar.
Lächelnd ging sie ein paar Schritte auf den Studenten zu. Sie kannte ihn. Der Idiot hatte sie in ihrem ersten Semester total schmierig angemacht und war ihr im letzten Semester, seitdem sie Gedanken hören konnte, ganz schön auf die Nerven gegangen.
Sie sah ihn freundlich an und sagte mit einschmeichelnder Stimme: „Nein, Kevin, davon kommen meine Noten nicht – du heißt doch Kevin, oder?“
Kevin nickte verdattert.
Victoria lächelte weiter. „Gute Noten habe ich, weil ich eine Streberin bin. Professor Lorenz würde ich nicht mal mit einer Kneifzange anfassen und ganz ehrlich, Kevin, wenn du während der Vorlesungen nicht ständig auf deinem bescheuerten Smartphone versaute SMS an deine zwei Freundinnen schreiben und stattdessen aufpassen würdest, dann hättest du die Klausuren im letzten Semester locker geschafft!“
Kevins Mund klappte auf, doch es kam nichts heraus. In seinem Gehirn arbeitete es.
Victoria lächelte noch immer und meinte daraufhin zuckersüß: „Professor «Unheimlich» und ich werden noch in diesem Jahr heiraten. Du kannst dir die Wetten, wie lange das mit uns halten wird, also gleich sparen. Es wird halten – länger als du dir mit deinem Erbsenhirn überhaupt vorstellen kannst.“
Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und ging zu Jaromir zurück.
Der musste ein Grinsen unterdrücken. „Wow! Was ist denn mit dir los, Victoria? So habe ich
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