Machtlos
Wochen in Jalinas Gefolge getan hatte.
Victorias Blick, als sie mit Jalinas Gefolge durch die Halle an der Gefährtin vorbeigeschritten war, hatte sie nicht mehr losgelassen. Die Tatsache, dass sie die Goldenen verraten hatte, um die Gefährten zu retten, konnte ihre Zweifel nicht auflösen.
Lexia war sehr erleichtert, dass sie gerade so freundlich aufgenommen worden war. „Also“, hob sie erneut an, „ich bin doch eure Trauzeugin und ich wollte wissen, ob ihr noch immer heiraten werdet – jetzt, wo ihr es nicht mehr müsst…“
Victoria lächelte sie an. „Doch Lexia, Jaromir und ich wollen noch immer heiraten…“
„… und wir freuen uns sehr, wenn du weiterhin meine Trauzeugin sein möchtest!“, ergänzte Jaromir gut gelaunt.
Am Rande bemerkte Victoria große Erleichterung bei Abrexar. Sie behielt ihn mental im Auge und meinte beiläufig: „Fast keiner der Menschen hat abgesagt, aber ob die eingeladenen Drachen in diesen Zeiten kommen werden, da bin ich mir nicht sicher…“
Abrexar erhob leicht seinen Zeigefinger. „Ähmm Victoria… geh lieber davon aus, dass alle, bis auf die Goldenen, kommen werden…“
Die Gefährtin sah ihn mit argwöhnisch hochgezogener Augenbraue an. Eine Vielzahl von Drachen zog durch seine Gedanken. „Möchtest du uns vielleicht etwas sagen, Abrexar?“
Die Miene des alten Schwarzen wurde schuldbewusst. „Also… also gestern, nachdem sich die größte Unruhe gelegt hatte, da… da haben mich einige angesprochen. Du hast die Drachen schwer beeindruckt, Victoria. Deine Verbindung zu Jaromir, die Freundschaft zu Tujana und auch dein unerschütterliches Vertrauen in Lexia…“
„Aber von Tujana und Lexia wusste doch niemand“, unterbrach Victoria ihn.
„Jetzt schon…“, widersprach Abrexar schlicht. „Jedenfalls will es sich niemand nehmen lassen, auf eurer Hochzeit dabei zu sein.“ Dann ergänzte er zerknirscht: „Ich habe mich wirklich zusammengerissen und anfangs nur die Plätze der Goldenen neu vergeben.“
Er lächelte hilflos und wand sich innerlich unter Victorias forschendem Blick. „Das war ein unglaubliches Potenzial, was sich mir da geboten hat! Ich konnte einfach nicht «nein» sagen und habe auch schon nach weiteren hundert Einladungen nur noch Absagen erteilt – ehrlich!“
„HUNDERT weitere Einladungen?!“, rief Victoria entsetzt. „Hundert Einladungen? Mal ganz abgesehen davon, dass ich eine KLEINE! Hochzeit wollte – ist dir eigentlich klar, dass die Hochzeit in elf Tagen stattfindet? Ist dir bewusst, wie viel Arbeit der gute Albert in die Menüplanung, die Anordnung der Tische und die Dekoration gesteckt hat? Unsere Hochzeitsplanerin hat ewig mit uns an der optimalen Tischordnung gesessen! Und jetzt lädst du mal eben HUNDERT weitere Gäste ein, weil sich dir ein «unglaubliches Potenzial» bietet??!!“
Victoria war fassungslos. Doch dann strömte plötzlich heiße Wut durch ihre Adern. Sie hatte die Schnauze voll davon, dass ständig über ihren Kopf hinweg entschieden wurde.
„Warum bilden sich eigentlich immer alle ein, dass sie über unsere Angelegenheiten bestimmen können?“ , fragte sich Victoria entrüstet. Sie war stinksauer! „Jalina ist tot! Die muss keiner mehr gnädig stimmen. Ich habe das ganze Brimborium bei der Hochzeit nie gewollt und erst recht nicht 450 Gäste, aber ER kann es einfach nicht lassen! Albert wird durchdrehen! Und diese endlosen Diskussionen darüber, wer wo sitzt und wer mit wem kann oder auch nicht, die sind mir schon beim ersten Mal auf den Keks gegangen. Und jetzt sollen wir die halbe Planung über den Haufen werfen und den ganzen Mist noch mal machen?“
Wütend funkelte sie Abrexar an und rief: „Neee, mein Lieber! Die Suppe wirst du schön selbst auslöffeln, Abrexar. Wenn du den Gästen nicht wieder absagst, dann wirst DU das Albert und Maren selbst beibringen. Und die neue Tischordnung kannst du dann auch gleich machen.“
Stille.
„Ähhh, Vici…“, meldete sich Lenir und deutete auf ihren Kopf. „Du solltest mit deinen Wutausbrüchen etwas aufpassen.“
„Was?“ Erst jetzt bemerkte Victoria, dass sie aufgesprungen war. Offenbar hatte sie unbewusst ihre Barrieren geöffnet und nun leckten vereinzelt kleine Flammen über ihren Kopf. Sofort beendeten Hoggi und Mandolan den Magiestrom und die Flammen erloschen.
Victoria fasste sich auf den Kopf. Die Haut war warm, aber noch nicht verbrannt. Doch wenn dort Haare gewesen wären, dann hätten die das ganz sicher nicht überlebt.
Weitere Kostenlose Bücher