Machtlos
Gefährten und die jahrhundertelange Vergiftung der Grünen sind so ungeheuerlich, das wir beides kaum glauben können.
Wir können keine Zweifel bei diesen Dingen ertragen. Unsere Identität rinnt uns seit gestern wie Sand durch die Klauen. Wer sind wir wirklich? Die Geschichte, die die Goldenen für uns aufgeschrieben haben, trägt uns nicht mehr. Wie sollen wir neu anfangen, wenn wir nicht wissen, worauf wir bauen können?“ Abrexar schloss erschöpft die Augen und auf einmal wirkte er sehr alt.
Als er sie wieder öffnete, sah er Victoria eindringlich an und spürte sofort ihren Widerstand. Allein der Gedanke, noch einmal in die Halle der Goldenen zu müssen, verursachte Victoria Übelkeit.
Der alte Drache taxierte die Gefährtin und sagte dann: „Wenn du die Himmelszitadelle nicht noch einmal betreten möchtest, dann finden wir einen anderen Ort. Ich kann dafür sorgen, dass bei diesen Befragungen möglichst wenig Drachen anwesend sein werden – auch wenn die Zahl derer, die dabei sein wollen, sehr groß ist. Außerdem könnten die Drachen in Menschengestalt erscheinen und selbstverständlich darf Jaromir bei dir bleiben und wen immer du sonst noch dabeihaben möchtest. … Bitte Victoria, lass uns mit unseren Zweifeln nicht allein!“
„Komm, Kleines. Zusammen schaffen wir das. Ich werde in jeder Sekunde bei dir sein, wenn du das möchtest.“ Bei diesen Gedanken griff Jaromir nach ihrer Hand.
Victoria starrte vor sich hin. Sie verstand sehr gut, wie wichtig diese Sache für die Drachen war. Abrexar würde es ihr so leicht wie möglich machen, davon war sie überzeugt, aber trotzdem war damit auch eine große Verantwortung verbunden. … „Warum gibt es bloß niemanden sonst, der das an meiner Stelle tun kann?“
Es gab einfach keine Alternative für die Drachen.
Langsam nickte Victoria. „Also gut.“ Sie setzte sich aufrecht hin, sah Abrexar an und erklärte förmlich: „Richte Grimmarr, dem König der Roten, aus, dass ich diese Aufgabe übernehmen werde. Allerdings wäre ich wirklich dankbar dafür, wenn ihr den Rahmen fürs Erste klein halten könntet.“
Jaromir drückte glücklich ihre Hand.
Abrexar seufzte und lächelte sie erleichtert an. „Das werde ich Grimmarr mit Freude ausrichten!“
In dem Moment klopfte es an der Tür. Jaromir rief „Herein!“ und Mandolan betrat den Salon, gefolgt von Tujana und Lexia.
„Lexia!“, rief Victoria voller Freude, sprang auf und rannte zur Tür.
Das Gesicht der Goldenen spiegelte Erleichterung über die begeisterte Begrüßung wider.
Victoria umarmte Lexia und trat dann ein Stück zurück, um sie prüfend zu betrachten.
Lexia trug legere Klamotten und dazu den Schmuck, den Victoria vor ein paar Monaten zusammen mit ihr gekauft hatte. Sie sah kraftlos und erschöpft aus.
„Wie geht es dir?“, fragte Victoria besorgt. „Ich dachte, du bist noch auf der Krankenstation und wirst von den Grünen gepflegt.“
„So war auch der Plan“, meldet sich Tujana vorlaut. „Aber Lexia hat sich selbst entlassen.“
Die Goldene nickte mit einem schiefen Grinsen. „Linea hat mich gewarnt, dass sich die Energien noch nicht vollständig gesetzt haben könnten und mich ein Sprung durch die Nebel über Gebühr beanspruchen würde, aber ich wollte ihr nicht glauben…“
„Wer nicht auf Linea hören will, der muss fühlen“, kicherte Tujana.
Lexia lächelte Tujana an. „Wohl wahr, wohl wahr…“
Abrexar hatte sich erhoben und rückte seinen eigenen Stuhl demonstrativ zurecht. „Dann solltest du dich besser setzen und ein wenig stärken, meine Liebe. Komm, nimm meinen Platz – du gehörst in unsere Mitte!“
Verlegen nahm Lexia sein Angebot an und Abrexar setzte sich neben sie. Auch Mandolan und Tujana machten es sich am Tisch bequem.
Im nächsten Moment brachte Albert drei neue Gedecke sowie frischen Tee und Kaffee. Lexia schenkte er gleich einen großen Becher Jogi-Tee ein und Jaromir schob ihr den Teller mit dem Zimt-Adventsgebäck vor die Nase.
Die Goldene trank einen großen Schluck und seufzte dann erleichtert.
Jaromir lächelte sie an. „Was verschafft uns denn die Ehre deines Besuchs?“
„Ich…, also ich“, stotterte Lexia ungewöhnlich hilflos und Victoria erkannte, dass die Goldene keine Ruhe gefunden hatte, weil sie alle getäuscht hatte. Sie hatte befürchtet, dass Victoria nichts mehr von ihr wissen wollte, weil sie Tujana in die Seuchenstation hatte verbannen lassen und wegen all der anderen Dinge, die sie in den letzten
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