Machtlos
nichts.“
Victoria drohte, sich selbst in Kerstins Schmerz zu verlieren und konnte kaum noch klar denken.
Da spürte sie, wie sie ruhiger wurde und sich etwas distanzieren konnte. Diese Empfindung erinnerte sie an den Moment, als Lexia befohlen hatte, dass sie heiraten sollten. Abrexar hatte an diesem Tag einen Zauber auf sie gelegt, der verhinderte, dass sie von ihren Gefühlen überwältigt wurde.
Genau so war das jetzt, nur bedeutend schwächer. Aber es reichte aus, dass sie wieder denken konnte. Sie atmete tief durch und nun wurde ihr bewusst, dass Jaromir den Zauber auf sie gelegt hatte.
Sie schickte ihm in Gedanken ein tiefempfundenes „DANKE!“
Und er antwortete mitfühlend: „Jederzeit wieder, Kleines!“
Gleichzeitig stellte sie fest, dass ihr Gefährte diesen Zauber seit dem Streit mit ihrer Mutter täglich wieder und wieder geübt hatte, um sie unterstützen zu können. Sie hatte das gar nicht mitbekommen, da sie in der Zeit selbst bei Hoggi Unterricht gehabt hatte.
Noch einmal schickte sie ihm voller Liebe ein: „Danke!“
„Wir sind Gefährten“ , antwortete Jaromir schlicht und zog sich respektvoll aus dem Geistesraum zurück, in dem sich Victoria gerade befand.
Nun konzentrierte Victoria sich wieder auf ihre Freundin.
Kerstin war am Boden zerstört und völlig verwirrt. Nur ein Gedanke hatte in ihrem Kopf Platz: „Ich will Lennard!!!“ Und die Tatsache, dass es für sie im Moment nicht gerade danach aussah, dass sie ihn bekommen würde, ließ sie verzweifeln.
Victoria wusste nicht, was sie machen sollte.
Dann bot sie Kerstin das einzige an, was sie für sie tun konnte. „Soll ich mal mit Lennard reden?“
Kerstin schniefte hoffnungsvoll. „Das würdest du für mich tun?“
Victoria nickte. „Na klar.“
Sie wusste zwar nicht, ob das etwas brachte und ob Lenir ihr überhaupt zuhören würde, aber versuchen wollte sie es auf alle Fälle. Sie konnte Kerstin nicht hängen lassen. Ihre Freundin hatte ja nicht einmal die leiseste Ahnung, was gerade mit ihr geschah.
Allein die Aussicht, dass Victoria mit Lennard reden würde, weckte die Schmetterlinge in Kerstins Bauch. Sie richtete sich wieder auf, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und grinste wie ein Honigkuchenpferd.
Victoria lachte. „Mann, dich hat es ja echt voll erwischt.“
Kerstin zuckte hilflos mit den Schultern und lächelte schief. „Ich weiß. Ich sage doch, ich bin total bescheuert.“
Kurz vor sieben wurde es draußen so dunkel, dass Victoria den Eindruck hatte, die Nacht bräche nun herein. Plötzlich frischte der Wind auf und ließ die langen, weißen Vorhänge des Salons gespenstisch ins Wohnzimmer flattern. Dann erhellte ein gigantischer Blitz grell den dunklen Himmel. Sekunden später grollte der Donner bedrohlich nah und zerriss die Stille des frühen Abends. Erste, dicke Tropfen klatschten schwer auf das edle Parkett des weißen Salons.
Schnell standen Kerstin und Victoria auf, um die großen Fenster zu schließen. Sie hatten kaum die ersten zugemacht, da eilte Albert ihnen zu Hilfe. Zu dritt schafften sie es gerade rechtzeitig. Kaum waren alle Fenster geschlossen, da ging es so richtig los. Es goss in Strömen, so dass das Wasser die Scheiben in Sturzbächen herunterlief.
Albert zog ein großes, blütenweißes Stofftaschentuch aus seiner Weste und tupfte sich den Schweiß von der Stirn. Trotz der schwülen Hitze trug er selbstverständlich seine vollständige Butleruniform.
Er verneigte sich leicht und sagte höflich: „Ich muss mich bei den jungen Damen für die Hilfe bedanken. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen.“
Victoria lachte. „Oh doch, Albert. Das war nötig. Ein paar Sekunden später hätten wir hier eine Springflut auffeudeln müssen.“
Albert nickte daraufhin dezent.
Er holte einen sauberen Mikrofaserlappen hervor und wischte den Regen vom Parkett. Er war froh, dass er alle anderen Fenster im Haus schon geschlossen hatte, als es sich vor einer Viertelstunde so zugezogen hatte. Nur mit dem Salon hatte er gewartet, weil er den beiden jungen Frauen an einem solch schwülen Abend auch den kleinsten Luftzug gönnen wollte. Bei den Wassermassen, die nun jedoch die Fenster herunterliefen, musste er Victoria insgeheim recht geben: Das hätte eine beträchtliche Überschwemmung gegeben. Die zu beseitigen hätte seine Essensplanung sicher über den Haufen geworfen.
Victoria grinste und deutete auf den bereits stilvoll gedeckten Esstisch. „Wir können doch nicht zulassen, dass
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