Machtlos
räumte Albert die Teller ab und brachte wenig später den Hauptgang. Es gab hausgemachte Pasta mit Scampi in einer fruchtig scharfen Sauce. „Studenten lieben Pasta“ , war er sich sicher.
„Wie recht er hat!“ , dachte Victoria nach dem ersten Bissen.
Sie grinste amüsiert, als auch Kerstin und J selig kauten und beide sich unabhängig voneinander still fragten, ob sie jemals wieder in der Mensa essen könnten.
Jaromir grinste. „Genau diese Frage hast du dir bei auch unserem ersten Essen gestellt, weißt du noch?“
„Gib es zu: Albert ist deine Geheimwaffe! Er soll uns alle einwickeln, damit wir dir hilflos ausgeliefert sind“ , gab sie schmunzelnd zurück.
Ihr Gefährte lachte im Geiste. „Du hast mich entlarvt! Jetzt bin ich erledigt.“
Während ihres Zwiegesprächs stieß J Kerstin an und murmelte kopfschüttelnd. „Guck dir die beiden an. Sind nur am rumturteln. Es scheint fast, als würden sie sich ohne Worte verstehen...“
Kerstin lachte: „Oh Mann, J! Die wollen heiraten, schon vergessen? Da muss das so sein.“
Und schon waren sie wieder beim Thema.
Als alle fertig waren, kam Albert und räumte erneut ab. Er lächelte still und glücklich über die leeren Teller.
Dann breitete Jaromir auf dem Esstisch die Prospekte der Nobelhotels aus, die Lenir für die Feier als Auswahl mitgebracht hatte. Er seufzte. „Bisher haben wir uns noch nicht auf eine Location festgelegt.“
J pfiff anerkennend durch die Zähne: „Mann, Mann, Mann. Ihr macht ja keine halben Sachen. Das wird ja eine ganz große Nummer.“
Victoria nickte unglücklich. „Genau das ist ja mein Problem. Irgendwie passt das nicht zu uns. Das ist alles so pompös und so steif. Aber wir finden einfach keine Alternative.“
Kerstin blickte ihre Freundin ruhig an. „Wenn du völlig freie Wahl hättest, unabhängig von Personenzahl, Jahreszeit und Ausstaffierung, wo würdest du dann eure Hochzeit feiern wollen?“
Darüber hatte Victoria sich noch nie Gedanken gemacht. Sie legte den Kopf schief und sah nachdenklich nach oben. Über ihr funkelte der Kronleuchter. Unter die schillernden Farben der Kristalle mischte sich eine Vision: blühende Blumen, der Duft von Sommer und das Zwitschern der Vögel, Sonne auf der Haut und Bäume, die Schatten spendeten.
„Ich glaube, ich würde gern im Garten feiern“, sagte sie verträumt. Dann lächelte sie schief. „Am 31. Dezember könnte das allerdings etwas kühl werden.“
Kerstin grinste und deutete auf die durchdesignten Broschüren. „Du stehst nicht wirklich auf diese Nobelschuppen, oder?“ Sie sah sich nachdenklich um. „Hier fühlst du dich ganz offensichtlich wohl und an Eleganz steht Jaromirs Haus keinem dieser Hotels hier nach. Warum feiert ihr nicht hier?“
Victoria stutzte.
Auf diese Idee war sie überhaupt noch nicht gekommen. Kerstin hatte recht. In diesen Räumen fühlte sie sich wohl. Dann wanderten ihre Gedanken jedoch eine Etage tiefer. In der düsteren Atmosphäre des Speisesalons konnte sie sich eine Hochzeit beim besten Willen nicht vorstellen.
Jaromir antwortete Kerstin: „Einer meiner Vorfahren hatte einen Hang zur Dramatik.“ Mit einer ausladenden Geste deutete er um sich herum. „In diesem Stil hier habe ich mir nur drei Räume hergerichtet. Der Rest des Hauses ist noch weitestgehend im Originalzustand und entspricht eher der dunklen Eingangshalle. Nur dass die im Vergleich zu den anderen Räumen noch fröhlich wirkt.“
Dann sah er Victoria an und fügte nachdenklich hinzu: „Allerdings habe ich schon vor Jahren Pläne für die Neugestaltung des gesamten Hauses erstellen lassen. Wir müssten nur Abrexar überzeugen. Wir wollten das Haus doch ohnehin verändern, damit es unser Zuhause wird. Wenn du es möchtest, kümmere ich mich gleich morgen darum. Die Zeit wird zwar knapp werden, aber versuchen könnten wir es.“
Victoria strahlte ihren Gefährten an. „Das wäre großartig.“
Ihre Freunde waren baff. Für Victoria würde der Professor mal eben sein ganzes Haus umkrempeln! Das war heftig.
Kerstin dachte bewegt: „Der Professor trägt sie auf Händen. Er tut alles für sie! Was muss er Victoria lieben.“
Auch J war beeindruckt. „Geldsorgen plagen Jaromir jedenfalls nicht. Und er scheint Vici echt glücklich machen zu wollen… Da hat sie sich endlich mal in den Richtigen verliebt.“
Jaromir grinste und legte die Hochglanzprospekte beiseite. Trocken bemerkte er: „Na, dann hätten wir den Punkt ja auch abgehakt.“
Das Gewitter
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