Machtlos
versucht, dass es neue Gefährten gibt. Das ist ihnen missglückt. Wer weiß, vielleicht können wir uns euch Menschen in ein paar Jahrhunderten wieder ganz offen zeigen…“
Victoria sah ihn mit großen Augen an. Sie versuchte sich vorzustellen, wie sich Drachen offen in die moderne menschliche Gesellschaft integrierten.
Es gelang ihr nicht.
Sie schüttelte den Kopf. „Das ist echt eine Nummer zu groß!“
Aber Jaromir lachte nur. „Solche Veränderungen brauchen Zeit. Viel Zeit. Das passiert nicht innerhalb von dreißig oder sechzig Jahren. Das braucht viel länger und du, Victoria, wirst es erleben! Du wirst die Zukunft sehen. Überleg doch nur, wie ihr Menschen euch in den letzten hundert Jahren entwickelt habt. Warum sollte es nicht möglich sein, dass Drachen und Menschen wieder Seite an Seite in dieser Welt leben?“
Seine Augen leuchteten und sie spürte, dass ihr Gefährte eine solche Veränderung tatsächlich für möglich hielt.
Sie seufzte: „Ach, das mit der Zeitschiene habe ich echt nicht drauf. Für mich hört die Welt in spätestens hundert Jahren zu existieren auf. Ich kann einfach nicht weiter denken. Das ist mir so was von fremd.“
Jaromir blickte sie verständnisvoll an. „Aber irgendwann werden dir hundert Jahre nicht mehr endlos vorkommen. Nicht heute und wohl auch nicht in diesem Jahr. Aber irgendwann wirst du dich daran gewöhnt haben. Daran glaube ich fest.“ Er lächelte sie an und aus seinen schönen, braunen Augen sprach Liebe und Wärme.
„Er wird immer für mich da sein“ , dachte Victoria und spürte dabei eine tiefe innere Ruhe. Sie lächelte zurück und drückte dankbar seine Hand.
Seit sie sich vor fast fünf Monaten kennengelernt hatten, hatte sich Victorias Welt sehr verändert. Jaromir war ihr Anker, ihr Fels in der Brandung. Er würde immer für sie da sein und solange er da war, konnte ihr nichts passieren.
Ihr Gefährte lächelte sie zärtlich an. „Ganz genau, Kleines. So ist es!“
Für den Nachmittag standen diverse Audienzen auf dem Programm. Die Drachen waren zwar alle nett und interessiert, aber es war anstrengend und ermüdend, seit Wochen immer dieselben Fragen beantworten zu müssen.
Als der letzte Gast gegen sechs in die Nebel gesprungen war, hatte Victoria Kopfschmerzen und gar keine Lust, sich noch mit ihren Freunden zu treffen. Mit Kerstin war sie zu halb sieben verabredet und J wollte eine halbe Stunde später kommen.
Sie seufzte und ließ sich neben Jaromir auf die Couch im weißen Salon plumpsen. Dann zog sie ihre Schultern hoch und massierte sich den Nacken. Sie war total verspannt vom langen Sitzen.
Jaromir lächelte. „Komm her und lass mich das machen. Du bist ja völlig fertig.“ Er klopfte aufs Sofa. „Leg dich hier hin.“
Sie stöhnte, als er mit geschickten Fingern ihre verspannten Muskeln lockerte.
Draußen war es schwülwarm und der Himmel bezog sich. Von der Ostsee schoben dicke, schwarze Wolken herüber. Sicher würde es heute noch ein Gewitter geben.
„Vielleicht habe ich auch darum solche Kopfschmerzen… Ich sollte Kerstin und J absagen.“
Jaromir massierte weiter und brummte: „Nein, das solltest du nicht. Lass mich nur machen…“
Dann legte er seine Hände an ihre Schläfen und übte einen leichten Druck aus. Vorsichtig wiederholte er diese Bewegung, während seine Hände Stück für Stück ihren Kopf entlang über den Nacken bis zu den Schultern wanderten.
Victoria seufzte wohlig und entspannte sich. Sie dachte ausnahmsweise mal an nichts, schloss ihre Augen und ließ sich treiben.
Nach einer Weile fragte Jaromir leise: „Und Kleines, geht es dir jetzt wieder besser?“
Victoria ließ die Augen geschlossen und antwortete genießerisch: „Ja, aber hör nicht auf! Nur noch ein bisschen…“
Er lachte. „Aber Kerstin kommt in zehn Minuten. Wenn du dich noch frisch machen willst, dann jetzt.“
Widerstrebend öffnete Victoria ihre Augen und lächelte ihren Gefährten an: „Mir geht es zwar wieder besser, aber Lust habe ich deswegen trotzdem nicht. So ein gemütlicher Abend mit dir würde mir viel mehr gefallen.“
Dann reckte sie sich und fragte nebenher: „Sag mal, was hast du da eigentlich eben gemacht? Das war doch keine normale Massage, oder?“
Jaromir grinste. „Ich habe ein wenig mit Magie nachgeholfen. Aber das erkläre ich dir an einem anderen Tag. Und jetzt ab ins Bad mit dir.“
Als Victoria den weißen Salon wieder betrat, war es draußen richtig düster. Im Raum war die Luft stickig
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