Machtlos
du nicht, dass wir sie vorwarnen sollten, wegen Albert und dem Haus und so?“ , fragte Victoria ihren Gefährten unsicher.
Jaromir verneinte. „Nein, Vici. Ich will nicht angeben und ich vermute, dass deine Eltern Bescheidenheit zu schätzen wissen.“
Victoria lachte in Gedanken. „Meine Mutter wird einen Schock kriegen, wenn meine Eltern uns in zwei Wochen besuchen. Giesela kommt aus einfachen Verhältnissen und ist so was wie das Haus Brookstedt nicht gewohnt.“
Auch Jaromir musste innerlich grinsen. „Sagen wir es mal so: Deine Mutter wird auf alle Fälle beeindruckt sein.“
19. Haken dran
Am Donnerstagmorgen kam Abrexar kurz vor dem Frühstück zu Besuch. Als er den weißen Salon betrat, sah er die Gefährten stirnrunzelnd an und meinte nachdenklich: „So langsam finde ich, dass Lenir es mit der Ernsthaftigkeit übertreibt. Ich habe ihn in den letzten Wochen kein einziges Mal herzhaft lachen sehen – früher hätte er das keine zwei Stunden ausgehalten. Auf meine Scherze reagiert er auch nicht mehr und eben war er so sachlich und nüchtern, dass ich zeitweise dachte, er sei scheintot. Sagt mal, wisst ihr vielleicht, warum der so merkwürdig ist?“
Victoria schüttelte den Kopf.
Und Jaromir meinte achselzuckend: „Uns ist das auch schon aufgefallen, aber wenn wir ihn darauf ansprechen, blockt er ab.“
„In letzter Zeit sehe ich in seinen Gedanken nur noch Arbeit. Es ist, als gäbe es nichts anderes mehr für ihn“, ergänzte Victoria.
Der alte Schwarze schüttelte in sich gekehrt den Kopf. „Naja, ich kann wohl nicht alles haben und im Moment fehlt mir schlichtweg die Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen“, seufzte er und setzte sich aufs Sofa.
Dann lächelte er Jaromir und Victoria an. „Seinen Job macht Lenni jedenfalls hervorragend. Er erzählte mir gestern, dass ihr die Gästeliste fertig habt?“
Victoria nickte grinsend. „Jawohl. Maren, unsere Hochzeitsplanerin, hat uns dabei kräftig unter die Arme gegriffen.“ Sie nahm sich eine elegante Mappe aus cremefarbenen Karton vom Tisch. Darauf stand in Marens Schnörkelschrift: «Hochzeit von Victoria und Jaromir».
„Ja“, hakte Abrexar kurz ein, „ich habe gehört, dass ihr euch Unterstützung gesucht habt und bin schon sehr gespannt auf die Dame und ihr Wirken.“
Victoria lachte und gab Abrexar die Mappe. Der helle Karton hatte einen leichten Glanz und fühlte sich edel an. „Na, die ersten Ergebnisse kannst du dir gleich ansehen. Die Einladungskarten haben wir nämlich schon fertig und hier drin ist auch die Gästeliste. Ich habe wirklich jeden eingeladen, den ich kenne – naja, die Frau aus der Bäckerei, in der ich als Kind Brötchen geholt habe, vielleicht nicht… Trotzdem bin ich nur auf gerade mal 69 Gäste gekommen.“ Sie lächelte ihren Gefährten an und fügte hinzu: „Jaromir hat immerhin 101 Menschen und Drachen auf seiner Liste. Damit sind wir dann bei genau 170 Personen und so fehlen uns noch 130 Gäste zu den geforderten 300.“
Abrexar öffnete die Mappe und überflog die Liste. Die Gefährten hatten jeweils den Namen und die Art der Beziehung, in der sie zum Eingeladenen standen, notiert. Er nickte beifällig. Dann zog er seinerseits zwei Zettel aus dem Jackett und faltete sie auseinander. „Ich habe hier für euch noch ein paar Namen notiert. Selbstverständlich sind all jene Drachen mit darauf, die uns vor ein paar Wochen in Nordschweden so selbstlos zur Seite gestanden haben.“
Jaromir wollte gerade etwas sagen, aber da fuhr sein Mentor auch schon mit einem wohlwollenden Lächeln fort: „Ich habe gesehen, dass ihr die ohnehin schon aufgeschrieben habt. Sehr gut.“
Er legte den ersten Zettel beiseite und zeigte auf den zweiten. „Hier sind noch ein paar Persönlichkeiten, die in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen, auch wenn sie häufig nicht vordergründig in Erscheinung treten. Wenn ihr die auf eurer Seite habt, kann euch kaum etwas passieren.“ Dann fügte er hinzu: „Außerdem würdet ihr mir einen Gefallen tun, wenn ihr sie auf eure Gästeliste setzt.“
Jaromir rechnete. „Wir hätten dann alles in allem 350 Gäste.“
Victoria lächelte zufrieden. „Prima, falls der eine oder andere absagt, bekommen wir keine Probleme.“ Ihr Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. „Und wieder hätten wir einen Punkt abgehakt!“
Sie stellte sich vor, wie ihre Familie gemeinsam mit diversen Drachen an einem Tisch saß und erinnerte sich plötzlich an die Befangenheit ihrer
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