MacLean 02 - Im Suessen Bann Der Versuchung
auszuhändigen, das er sie gerade aus dem Sammelsurium von Opfergaben an den Toren der Grabstätte des Heiligen Kentigern hatte stehlen sehen.
Nein, erschüttert wie er von seiner unerklärlichen Reaktion auf sie war, stand er nur vollkommen verwirrt - oder besser gesagt, vollkommen erledigt - da und konnte nur hoffen, dass ihm nichts von den wilden und niedrigeren Instinkten, die ihn beherrschten, im Gesicht geschrieben stand.
Seine Ehre, so befleckt, wie sie vielleicht auch sein mochte, verbot sogar jemandem wie ihm, in Gegenwart von Priestern und Gläubigen fleischliche Begierden zur Schau zu stellen.
Und sein Stolz, so angeschlagen er auch war, wurde durch die sinnlichen Bedürfnisse, die dieses bedauernswert unscheinbare Mädchen in ihm weckte, gebrochen.
So lange war es doch nicht her, dass er mit einer Frau zusammen gewesen war.
Dann wirbelte sie zu ihm herum, ihren gestohlenen Schatz in der geballten Faust, die sie an ihre schönen, festen Brüste presste, und Iains Herz schwoll an, bis es vor lauter Glück zu platzen drohte. Tatsächlich pochte es so hart gegen seine Rippen, dass der Schock ihn beinahe niederstreckte.
Er hatte sich schwer geirrt, als er sie für unscheinbar gehalten hatte.
Helle, grüne Augen, groß und voller Panik, begegneten den seinen, und für den Bruchteil von Sekunden weiteten sie sich sogar noch mehr, und ihre goldgesprenkelten Tiefen spiegelten etwas so Unheimliches wie Erkennen wider - so als schwindelte auch ihr von der elektrisierenden Anziehungskraft, die zwischen ihnen knisterte.
Eine lockige Strähne kupferfarbenen Haars kam unter der Kapuze ihres Umhangs hervor und fiel über ihr linkes Auge, bevor sie an der sanften Biegung ihrer Wange liegen blieb. Sie vermittelte eher den Eindruck eines erschrockenen Rehs als den einer schamlosen Reliquiendiebin, so wie sie blinzelte und mit der Zungenspitze über ihre Lippen fuhr, die er auf der Stelle in Besitz genommen hätte, wenn er sie gesehen hätte, als seine Ehre noch nicht angekratzt gewesen war ... und sein Leben noch sein eigenes und unbeschmutzt.
Sie atmete tief ein, und ihre Brüste, die wohl geformt und üppig waren, hoben sich unter ihrem Umhang, dessen abgetragenes Gewebe ihre Fülle mehr betonte als verbarg.
Obwohl er es selbst nicht für möglich gehalten hätte, nahm das Ziehen in seinen Lenden noch V.u. Seine Kehle war wie zugeschnürt, sein Mund so trocken, dass er sich nicht einmal die bescheidene Erleichterung verschaffen konnte, seine Lippen zu befeuchten.
Schmerzliches Bedauern erfasste ihn, das seine Lust verdrängte und sie durch eine alles verzehrende Leere ersetzte, die schmerzhafter war als der Schnitt der scharfen Klingen eines gut geschliffenen Schwertes.
Wie ein weiteres unheimliches Echo seiner eigenen unterdrückten Sehnsucht glitt ein Ausdruck tiefster Qual über ihr schönes, ausdrucksvolles Gesicht, und dann ging sie - flüchtete durch die sich plötzlich öffnende Menge und nahm sein ganzes Herz mit sich.
Sein MacLean'sches Herz.
Dasselbe, von dem er geglaubt hatte, es sei längst verdorrt und tot, aber von dem er nun wusste, dass es nur nie wirklich erweckt worden war.
Weder von seiner verstorbenen Gemahlin Lileas - möge ihre sanftmütige Seele in Frieden ruhen - noch von einer anderen Frau, die je seinen Weg gekreuzt oder sein Bett geteilt hatte.
Verloren und fassungslos angesichts einer eklatanten Wahrheit, die er nicht länger bestreiten konnte, schloss Iain fest die Augen und hob seine zittrige Hand, um sich den heißen, schmerzhaft steifen Nacken zu massieren.
Eine ganze Weile später, als er seine Augen wieder öffnete, erblickten sie einen völlig anderen Ort.
Eine neue Welt, eine, in der er ein ungeheuer holpriges Gelände würde beschreiten müssen, weil eine seiner unerschütterlichsten Überzeugungen soeben vollständig entkräftet worden war.
Er, Iain MacLean, jüngerer Sohn des großen Hauses der MacLean, Herr über Nichts und oft auch >Iain der Zweifler< genannt, würde sich nie wieder über die Vorstellung lustig machen können, dass es das Schicksal der MacLean sehen Männer war, in ihrem Leben nur eine einzige Frau wirklich und wahrhaftig zu lieben.
Die Legende war nicht nur eine Geschichte, die man sich an langen, dunklen Winternächten am Kaminfeuer erzählte.
Die Legende entsprach der Wahrheit.
Das wusste er nun mit einer Sicherheit, die in jedem dumpfen Pochen seines Herzens mitschwang, in jedem unsicheren Atemzug, den er tat, denn diese eine Frau - eine
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