MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten
gedämpft, dass er inzwischen zu nichts mehr Lust hatte. Er brummelte, er wolle sich auf sein Zimmer zurückziehen, um zu lesen, und Carl und Valentine wollten Karten an ihre Freunde schreiben. Ich besann mich also auf meine Pflichten als Nichte.
Gespenstischer Zweifel
Sie hat mich berührt. Sie hat mich gekrault. Oh, war das schön! Wie das kribbelte, wie es mich durchschauderte. Ja, ja, ich weiß, ein paar Scheiben haben geklirrt - aber das ließ sich nicht vermeiden. Es ging mir einfach durch und durch.
Nur... kein bisschen körperlicher bin ich dadurch geworden. Sie liebt mich eben nicht. Sie findet mich niedlich, aber sie liebt mich nicht. Sie liebt diesen Menschen. Dessen bin ich mir ganz sicher.
Aber wenigstens hat sie schön geträumt. Dessen bin ich mir auch ganz sicher. Ich habe ihr eine meiner schönen Erinnerungen übermittelt. Endlich jemand, der das zu würdigen weiß. Ahh, wieder in der Sommersonne vor einem Kaninchenloch sitzen, durchs Gras streifen, Falter fangen...
Weg mit der Sehnsucht. Sie schmerzt.
Tagsüber bleibe ich immer ganz in ihrer Nähe. Ich muss schließlich wissen, was sie vorhat. Vorhin ist sie endlich bei der Tante aufgetaucht, und die beiden haben darüber gesprochen, dass sie in vier Tagen abreisen werden. Nur noch vier Tage - die Zeit wird knapp. Was soll ich nur tun, wenn es mir bis dahin nicht gelingt, von ihr erlöst zu werden?
Höchste Not und große Liebe, hat Arthur gesagt. Gewaltige Gefühle scheinen das Einzige zu sein, was einen einsamen Geist aus diesem traurigen Nebeldasein herausreißen kann. Aber ich will die Rothaarige mit den sensiblen Händen doch gar nicht in höchster Not sehen.
Andererseits, was kann ihr schon passieren? Es wird schon kein Gast durchdrehen und mit dem Breitschwert auf sie losgehen.
Obwohl, das erinnert mich an etwas Wichtiges. Übermorgen ist der Jahrestag des Gemetzels. Da hat das Schwert mal wieder von der Wand zu fallen. Ich muss auch dafür Kräfte sammeln - große Bastet, das wird anstrengend.
Aber wenn es sich lohnt? Vielleicht erschreckt sie das Schauspiel so, dass sie sich wie in höchster Not fühlt. Oder, wenn ich mich richtig sichtbar mache, vielleicht glaubt sie dann sogar, ich sei in höchster Not. Und dann reicht sie mir rettend die Hand. Wird das geschehen?
Doch auf die Frage lautet wie zuvor - that sad answer: »Nevermore!« 21
Silberdistel
Tante Henrietta saß mit einem Buch in ihrem Zimmer, als ich bei ihr anklopfte.
»Nanu, nicht mit deinen Freunden unterwegs? Schon die erste Missstimmung?«, begrüßte sie mich. Was mich ein wenig ärgerte, vor allem, weil sie nicht ganz unrecht hatte.
»Es regnet, man kann kaum was unternehmen.«
»Das stimmt. Setz dich, Margita.«
Ich zog mir einen Stuhl heran, näher an die Heizung, denn ich fühlte mich durchgefroren.
»Wie war’s in Edinburgh?«
»Nett.«
»Wie schön für dich.«
Oje, das würde eine mühsame Konversation werden. Tante Henrietta legte sorgfältig ein Lesezeichen zwischen die Seiten und klappte das Buch zu. Ich registrierte, dass es ein Band mit schottischen Balladen war. Eine ungewöhnliche Lektüre für meine Tante, die ansonsten lieber Sachbücher las. Aber vielleicht konnte ich darüber eine Brücke zu meinem Anliegen schlagen?
»Haben dir die Balladen gestern Abend auch gefallen,die Arthur vorgetragen hat?«, wagte ich zu fragen.
»Mh.«
Sehr mühsam.
»Wir waren gestern in Tainwick. Ein hübsches altes Städtchen. Es gibt sogar ein klitzekleines Museum, in dem Sachen aus dem ursprünglichen Schloss gezeigt werden«, versuchte ich es mit einem anderen Thema.
»So. Na, wie schön.«
Das ging nicht so weiter. Tante Henrietta saß da und sah aus dem Fenster, an das ein regelrechter Schnürlregen schlug. Sie machte ein steinernes Gesicht und wirkte so unnahbar wie nie zuvor. Ob ich sie mit meinen eigenmächtigen Unternehmungen dermaßen verärgert hatte?
»Tante Henrietta, was ist los? Habe ich was falsch gemacht?«
Sie drehte den Kopf langsam zu mir herum, und ich merkte, dass das Steinerne in ihren Zügen von dem Versuch großer Selbstbeherrschung stammte.
»Nein, Margita. Hast du nicht. Aber ich fürchte, ich habe ein paar Dinge nicht ganz richtig gemacht.«
Hoppla! Da war doch was passiert!? So eigenartig hatte sie sich noch nie benommen.
»Doch, Tante Henrietta, du hast alles richtig gemacht. Auch wenn ich manchmal mit den Zähnen geknirscht habe.«
Ein verzerrtes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
»Kein Mensch macht alles
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