MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten
Ursache für eine blutige Auseinandersetzung gewesen sein.«
»Das Erstaunliche daran ist weniger das frühere Drama als deine Visionen davon, das muss ich zugeben. Margita, du weißt, deine Mutter hatte ähnliche … Wahrnehmungen.«
»Ja, das war unser ganz persönliches Geheimnis. War sie jemals hier?«
»Nein, aber im Haus unserer englischen Vorfahren. Sie erzählte mir, dort sei ihr einmal ein junges Mädchen erschienen. Ich habe ihr damals nicht geglaubt, aber dann berichtete sie von einem ganz besonderen Detail.«
Tante Henrietta stand auf, sie schien überaus angeregt. Sie schloss die Schranktür auf und kramte einen Moment zwischen den Kleidern herum.
»Es gibt etwas in unserer Familie, das uns schon immer ein Rätsel aufgegeben hat. Ich weiß gar nicht, warum ich es mitgenommen habe. Es sollte wohl so sein.«
Sie tauchte aus dem Schrank auf und hielt mir einen silbrigen Gegenstand hin. »Diese Brosche ist traditionsgemäß immer der ältesten Tochter vererbt worden. Ich habe sie aus dem Nachlass meiner Mutter. Sie soll jetzt dir gehören, denn ich werde mit meinen sechsundfünfzig Jahren keine Tochter mehr bekommen. Jedenfalls, genau dieses Schmuckstück will deine Mutter erkannt haben. Die Erscheinung, das junge Mädchen, hat sie an ihrer Schulter getragen.«
Sie legte mir die schwere Gewandnadel in Form einer geöffneten Silberdistel in die Hand, und mich durchzuckte es wie ein Stromstoß. Einen Moment lang flimmerte die Luft um mich herum, dann sah ich sie. Das Mädchen mit den langen blonden Zöpfen saß im Zimmer. Ein Spinnrad drehte sich, und die Spindel hüpfte eifrig auf und ab. Neben ihm stand eine ältere Frau mit dunklen Haaren und sprach mit ihr. Verstehen konnte ich sie nicht, doch ich sah, wie sie ihr etwas überreichte. Eine silberne Brosche war es, geformt wie eine geöffnete Silberdistel in ihren zackigen Blättern.
Dann verschwamm das Bild wieder, und Tante Henriettas fester Griff musste mich stützen.
»Es ist wieder passiert, nicht wahr? Du hast plötzlich so verträumte Augen bekommen und fingst an zu schwanken.«
»Ja. Es war eine Szene, die ich auch schon einmal geträumt habe. Aber ich konnte mich an keine Einzelheiten erinnern.« Ich erzählte ihr von meinem Gesicht.
»Dann wirst du recht haben, Margita. Es gibt eine Verbindung unserer Familie zu diesem Gebäude und seinen früheren Bewohnern.«
»Ja - natürlich.« Mir war noch etwas eingefallen. »Du warst noch nie in meinem Zimmer. Komm mit, Tante Henrietta. Ich will dir etwas zeigen.«
Sie folgte mir kommentarlos, aber als sie das Motiv der Silberdistel auf meinem Kaminsims sah, fuhr sie die Konturen mit dem Zeigefinger beinahe ehrfürchtig nach.
»Ich frage mich, was das alles zu bedeuten hat, Margita«, flüsterte sie.
Noch nie hatte ich meine gestrenge Tante so ratlos und verblüfft gesehen.
Ich selbst hatte mir eigentlich noch nie besondere Gedanken darüber gemacht, ob hinter all dem ein tieferer Sinn steckte. Wahrscheinlich, weil mir diese Erscheinungen ganz gewöhnlich vorkamen. Diejenigen, die das nicht kannten, mussten es für viel bedeutungsvoller halten.
»Vermutlich hat es gar nichts zu sagen«, beruhigte ich sie. »Es sind einfach nur Spuren heftiger Gefühle, und ich bin komischerweise fähig, sie in Form von Bildern wahrzunehmen.«
Tante Henrietta sah mich ungläubig an. Dann lächelte sie unerwartet und nickte.
»Du magst in bestimmter Weise übersensibel sein, aber du betrachtest diese ganze Angelegenheit mit unerwarteter Nüchternheit. Das hätte ich nicht von dir gedacht.«
»Diese schon, aber es gibt noch einen Punkt, den du nicht weißt.«
Und dann hatte ich die ungeheure Genugtuung, sie gänzlich sprachlos zu erleben, als ich ihr die Geschichte von dem Katerspuk erzählte.
Kleine Spukereien
Ich werde heute Nacht wieder bei Margita vorbeischauen. Sie scheint mit dem Mann herumzumaulen, das gefällt mir. Dann ist sie von ihm nicht abgelenkt und entdeckt vielleicht ihre wahre Bestimmung.
Bis dahin vergnügte ich mich damit, für das Schwertgeklapper am Meuchelmord-Gedenktag zu proben. Mit einem Küchenmesser hatte ich angefangen. Es klappte nicht besonders gut. Mir gelang nur, es auf dem Tisch herumrutschen zu lassen - immer wenn Peggy wegsah. Sie war hinterher etwas sauer und pfiff den Lehrling an, er würde ihr das Messer ständig verstecken.
Peggy ist aber nicht so übel, sie wollte ich eigentlich nicht ärgern. Also suchte ich den rotnasigen MacDuffnet auf. Der war wie üblich
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