MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten
über zweihundert Jahre pelzlos.
Ich kostete den Wein und fand ihn fruchtig und erfrischend. Arthur hatte mir gegenüber Platz genommen und schwieg, sein bärtiges Gesicht vom Feuerschein beleuchtet. Ein ruhiges Gesicht, doch nicht ohne Spuren von einem bewegten Leben. Ein Gesicht, das mir eigenartig vertraut erschien, zu dem ich Vertrauen haben konnte. Ich fühlte mich ruhiger werden, als ich es den ganzen Tag über gewesen war.
Arthur schien es nicht besonders zu überraschen, dass ich ihn aufgesucht hatte. Er fragte nicht, was mich hergeführt hatte, er saß nur da und lächelte mich über den Rand seines Bechers an. Ich suchte nach einem Anfang.
»Arthur, Sie... Sie wissen, ich habe vorgestern an dem Grabstein etwas gesehen.«
Er nickte.
»Wir haben ein wenig nachgeforscht und eine alte Geschichte herausgefunden. Valentine möchte sie gerne aufschreiben und auch etwas in der Genealogie der Clans recherchieren. Dabei habe ich mich an die Ballade erinnert, die Sie letzte Woche drüben in der Halle gesungen haben. Könnte sie möglicherweise auf dieses Ereignis anspielen?«
»Daran erinnert Ihr euch? So, so. Welche war es denn? Ich kenne viele Balladen.«
Funkelte da eine Spur von Schalk in seinen Augenwinkeln?
»Oh, es war diese schaurige Geschichte, die immer mit dem Namen von MacTiger endet. Wer immer das auch war.«
»Und Ihr wisst es immer noch nicht, Margita?«
Ich sah ihn völlig fassungslos an.
»Arthur...? Ihr kennt den Spuk? Den Kater? Ist er das?«
»Ja, Kind, ich kenne den armen herumgeisternden Kater schon lange. Aber wer will heute noch an Gespenster glauben. Außerdem ist es ein sehr ängstlicher Geist.«
»Nicht ängstlicher als jede scheue Katze auch. Ich … ich denke, ich habe irgendwie sein Vertrauen gewonnen.«
»Erstaunliches Mädchen. Erzählt.«
Zum dritten Mal an diesem Tag erzählte ich die nächtliche Begebenheit und meine Schlussfolgerungen daraus.
»Ja, die alte Ballade erzählt davon. Die Maid war Margaret MacIain, der Junge Alasdair MacLeod of Blair Rath Castle. Auch ich habe in den alten Geschichten nachgeforscht - vielen alten Geschichten, denn ich bin kein ganz Fremder in dieser Gegend. Doch vorgestern erst fand ich das alte Grab, den Nachweis, dass Margaret wirklich hier gelebt hat.« Er war aufgestanden und zog ein schmales Heft aus dem vollgestopften Regal. »Gebt dies Eurer Freundin. Es enthält die Ballade und die Geschichte, soweit ich sie kenne. Es ist nicht viel, aber mit Euren Gesichten und der Neugier Eurer Freundin mag die Vergangenheit von Drumnadruid Castle wieder aufleben.«
»Oh, vielen Dank, wir werden die Seiten kopieren...«
»Behaltet das Original.«
»Aber dann haben Sie doch...«
»Ich habe meinen Kopf, und darin sind alle Originale«, lächelte Arthur.
»Auswendig?«
»Ihr jungen Leute lernt das nicht mehr, aber dort, wo ich herkomme, werden die alten Geschichten noch mündlich weitergegeben. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, den ganzen Balladenschatz auswendig zu beherrschen.«
Da, wo er herkam. Es war so gemütlich, so warm in dem Häuschen, dass ich einfach fragen musste.
»Die Geschichte, die Sie gestern Abend erzählt haben, die von dem Wanderer - war das Ihre Geschichte?«
»Ja, Kind.«
»Und... und warum ist meine Tante... Oh, Verzeihung, das geht mich gar nichts an.«
Ich fühlte meine Ohren heiß werden, und das nicht nur vom Feuerschein.
Arthur legte ein neues Scheit nach, und ein Funkenregen sprühte knisternd im Kamin auf. Draußen tropfte der Regen wieder unablässig auf die Blätter, auf meinem Schoß schnurrte die weiße Katze. Sonst hörte man keinen Laut.
Ob es doch an dem Wein lag, den Arthur mir eingeschenkt hatte? Ich fühlte mich entspannt, wie schwebend. Meine Gedanken wanderten, suchten. Nicht in der fernen Vergangenheit, sondern in den Ereignissen der letzten Tage. Ich sah diejenigen, die mir etwas bedeuteten. Ihre Gesichter tanzten vor meinen Augen - Tante Henriettas, das sich von steinerner Selbstbeherrschung zum liebevollen Lächeln wandelte, Valentines, übermütig und voller Freundschaft. Da war Ken, der sich vom fröhlichen Gefährten wieder zum arroganten Wichtigtuer entwickelte, MacDuffnet, rotgesichtig, ständig auf seinen Vorteil bedacht, Arthur, von eigenartiger Weisheit geprägt und doch zufrieden lebend als einfacher Gärtner. Und natürlich MacTiger, der ruhelos spukende Kater mit seiner Sehnsucht nach Berührung. Und die silberne Distel in all ihren Formen. Sie waren um mich herum, und
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