Madam Baeurin
Kopf da.
»Und ... was wirds lang ›und‹ sein!« sagt sie rauh. »Des wißts es ja, daß i scho oan hab, an Hochzeiter! Da gibts koa Und und koa Aber. Bloß dei Muatta sollt net 's Troad scho dreschn, bevors g'maaht is, moan i.«
Damit geht sie an die Stalltür, öffnet das Gitter, läuft rasch hindurch und hinein ins Haus, hinauf zur Rätin.
Die alte Dame liegt auf dem Sofa in Weinkrämpfen, und Tante Adele bemüht sich, ihr Linderung zu verschaffen.
»Es ist ein Skandal!« wimmert die Rätin. »Es ist unerhört! Wenn das der Assessor erfährt!«
»Na ja, dann erfährt er's halt«, entgegnet Adele gleichmütig. »Übrigens erfährt er's sicher nicht. Wer soll's ihm denn sagen? Und rauskommen tut der sicher nicht nach Berganger. Davor sind wir sicher.«
Die Rätin schluchzt wie ein Kind.
»Daß ich eine solche Schande erleben muß! Läuft mir das Mädchen als Braut Tag für Tag mit diesem Burschen herum, läßt sich von ihm duzen und tut, als wäre sie seine ... seine ... Magd ... oder ... seine Geliebte! Die Schande! Das Unglück!«
Rosalie steht schon eine Weile an der Tür. Jetzt tritt sie vor.
»Ja, was gibt's denn?
Was ist
eine Schand?
Was
ist ein Unglück? Daß ich drunten mithelfe? Daß ich gut auskomm mit dem Vater und den Kindern? Daß ich ein bißl Lieb empfinde für den Franzl? Mein Gott, Mama! So arg ist doch das Unglück nicht! Was ist denn dabei? Und außerdem ist mir der Franzl viel, viel wertvoller und lieber als mancher Stadtherr!«
Die Rätin schreit auf. Aber Tante Adele drückt ihr eine kalte Kompresse aufs Herz.
»Na, na, na, Schwägerin. Nur nicht gleich so aufgeregt. Nur Ruhe! Ich muß schon auch sagen: Ein gar so großes Unglück wär' es sicher nicht, wenn Rosalie statt ihres adeligen Verlobten den reschen Burschen ...«
»Um Gottes willen! Adele! Kein Wort weiter!« ruft die Rätin und vergißt ihren Herzkrampf. »Meine Tochter und ein Bauer! Mein Gott! Wenn das meine armen Eltern erlebt hätten!«
»Dann wärns um vieles leichter gstorbn, glaub ich«, entgegnet ihr Adele lächelnd, »denn dann hättens doch wenigstens die Hoffnung mit ins Grab gnommen, daß es dem Mädl sein Lebtag nicht schlecht geht.«
Die alte Dame hält sich die Ohren zu.
»Mein Gott, mein Gott! Was redest du! Die Schande! Die Schande!«
»Schande!« sagt Adele verächtlich. »Schande. I weiß net, was mehr Schand is: wenn die Rosel als die Frau Gemahlin eines leichtsinnigen Adligen Schulden machen müßt, oder wenn sie als angsehene Bäuerin über fünf, sechs Knechte und über grad soviel Mägd 's Regiment führn könnt! – Ich will ja dein'm Assessor gwiß nix weg tun. Aber, wie gesagt: Wenn der Fall eintreten tät, daß der Franzl die Rosel ...«
»Niemals!« ruft die Rätin in höchster Erregung. »Niemals! Solange ich ein offenes Auge habe, gilt unsere Tradition!« Rosalie steht wie mit Purpur übergossen da und weiß keine Antwort, keine Gegenrede, keinen Trost für die Mutter ... für sich selber ...
Und Tante Adele ist plötzlich so grausam gegen die alte Dame; so ohne jegliches Mitleid und Verständnis für ihre Gefühle! Sie lacht!
Lacht, daß ihre altmodischen Ringellocken über den Ohren erzittern, und sie ruft: »Tradition! Sag doch gleich Ahnenstolz! – Und das gute Ding, die Rosel, soll wohl dem ganzen Klimbim auch noch Weihrauch streun und ihr Glück opfern? Nein, meine liebe Schwägerin, das gibt's nicht. Solang ich leb, nicht. Ich weiß genau, was dein Mann, mein Bruder, Gott hab ihn selig, aufm Todbett gsagt hat zu mir: ›Adele‹, hat er gsagt, ›Adele, gib mir aufs Roserl acht. Schau mir auf die Kleine. Laß mir keine Marionette draus machen. Keine Jammerliesl! Sorg du, daß was Gscheits draus wird aus ihr. Und aus den andern. Schaug, daß jede ihr Glück macht‹, hat er gsagt. Bsonders d' Roserl. Also. Bsonders d' Roserl. Was willst denn eigentlich? Was kommen muß, kommt ja doch. Und der ihr aufgsetzt is, den kriegts.«
Aber die Rätin will nichts hören. »Nein, nein, nein!« ruft sie ein übers andere Mal aus. »Und ich dulde es ganz einfach nicht! Rosalie ist die Braut des Assessors, heiratet den Assessor und reist im übrigen am Mittwoch mit mir ab! Soo. Wir wollen sehen, wer hier zu reden hat. Das fehlte mir noch! Meine Tochter mit einem Bauern ...«
Sie steht energisch auf und will an die Tür.
Aber mit einem Schmerzensruf sinkt sie wieder aufs Sofa zurück. Ihre Gicht!
Schon die ganzen Tage her hatte sie Schmerzen gehabt. Aber jetzt, auf einmal, überfällt
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