Madam Wilkin's Palazzo
begonnen hatte. Dankend nahm er ein Glas von
dem Sherry, den Charles irgendwo sehr preiswert ohne viel Fragen erstanden
hatte, und informierte Miss LaValliere umfassender über den kleinen Alk, als
ihr vielleicht lieb war. Dann erschien Mrs. Sorpende in ihrem neuen
pfirsichfarbenen Spitzenkleid mit rostfarbenen Satinbändern, und Miss
LaValliere wurde überaus höflich wieder sich selbst überlassen.
Als sie sich schließlich zum Essen
hinsetzten, war längst klar, daß Brooks allein ein noch größerer Erfolg war als
mit Mrs. Tawne im Schlepptau. Mrs. Gates, selbst auf Lebenszeit Mitglied der
Audubon-Gesellschaft zum Schutz der Vogelwelt, fand es faszinierend, Brooks’
Ansicht über die Nestgepflogenheiten der Rohrdommel zu erfahren. Mr.
Porter-Smith entdeckte in ihm einen verwandten Geist, der ebenfalls allzeit
bereit war zu einem geharnischten Wortaustausch über sämtliche Aspekte
irgendeines beliebigen Themas. Mr. Bittersohn kam erst spät und war recht
wortkarg, taute jedoch auf, als er sein Paprikahühnchen aß. Sie genossen das
Kaminfeuer in der Bibliothek, während sie ihren Kaffee tranken, und alle waren
glücklich und zufrieden, bis Charles hereinkam und verkündete: »Mr. Palmerston
ist hier, gnädige Frau.«
»Was heißt ›hier‹?« fragte Sarah
unwirsch.
»Im Augenblick in der Eingangshalle,
Madam.«
»Was um Himmels willen möchte er denn?
Hat er nach Mr. Bittersohn gefragt?«
»Nein, gnädige Frau, er wünscht nur,
angemeldet zu werden.«
»Dann führen Sie ihn doch herein und
holen noch eine Tasse für ihn.«
Wenn Palmerston gekommen war, um sich
über den neuesten Stand von Bittersohns Nachforschungen zu informieren, schien
er es jedenfalls nicht besonders eilig zu haben. Seine beiden Angestellten
beachtete er kaum, verbeugte sich nur leicht vor Mrs. Gates und Miss LaValliere
und gar nicht vor Professor Ormsby und Mr. Porter-Smith, setzte sich dann neben
Mrs. Sorpende auf das Sofa und begann, sie mit seiner Meinung nach galanten und
scherzhaften Bemerkungen zu traktieren. Brooks Kelling, der an der anderen
Seite der Dame saß, rückte näher heran und begann ein recht raffiniertes
Ablenkungsmanöver.
Die höfliche Dame verhielt sich
bewundernswert wie immer, parierte Mr. Palmerstons plumpe Komplimente mit
eleganten Banalitäten und sprach Mr. Kelling ihr tiefstes Mitgefühl für das
Schicksal des Singkranichs aus, während Professor Ormsby einfach nur dasaß und
sie anstarrte.
Mrs. Sorpendes Charme mochte durchaus
für zwei Bewunderer reichen, doch bei drei Verehrern, die sie praktisch alle
gleichzeitig bestürmten, begann auch sie, Ermüdungserscheinungen zu zeigen.
Bittersohn vergaß seine eigenen Sorgen und versuchte heldenmütig, Palmerstons
Glut zu dämpfen, indem er das Wilkins-Museum erwähnte, als Charles wieder den
Raum betrat, mit einem Gesicht, das aussah, als hätte ihm jemand eine Seite aus
dem falschen Drehbuch untergeschoben. Seine Stimme zitterte sogar ein wenig,
als er den neuen Besuch meldete: »Gräfin Ouspenska.«
Bittersohn und Sarah wechselten
überraschte Blicke, Palmerston zuckte zurück wie ein angeschossener Vielfraß.
Die anderen, mit Ausnahme von Professor Ormsby, der sich immer noch völlig
gebannt auf die Teile von Mrs. Sorpendes Dekollete konzentrierte, die durch die
pfirsichfarbene Spitze zu sehen waren, setzten sich aufrecht hin und machten
erwartungsvolle Gesichter.
Mrs. Gates war in jüngeren Jahren viel
gereist und hatte schon viele Gräfinnen kennengelernt, doch selbst sie war
zweifellos niemals einer Frau wie Lydia begegnet. An diesem Abend trug die Ikonenmalerin
ein langes Kleid aus auberginefarbenem Leinen, das mit authentischen
byzantinischen Motiven bemalt war. Sie hatte Make-up und billige Ketten und
Armbänder verschwenderisch zu ihrer Verschönerung eingesetzt. Doch ihre
aristokratische Haltung und ihre hagere Schönheit, die im Schein des Feuers
vorteilhaft zur Geltung kam, waren derart beeindruckend, daß die meisten
Anwesenden sich erhoben.
Sarah ging natürlich auf ihren Gast zu,
begrüßte die Gräfin und stellte ihr die Anwesenden vor. Miss LaValliere gelang
trotz ihres knappen Röckchens ein ganz akzeptabler Knicks. Mrs. Sorpende, die
bedeutend mehr Material zur Verfügung hatte, war noch erfolgreicher. Mrs.
Gates, die alt und reich und auch selbst vornehm genug war, sich um keine
Etikette kümmern zu müssen, grüßte die Gräfin immerhin mit einem Lächeln und
einem kurzen Nicken ihres gepflegten weißhaarigen Hauptes.
Mr.
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