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Madam Wilkin's Palazzo

Madam Wilkin's Palazzo

Titel: Madam Wilkin's Palazzo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte MacLeod
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bleibt mir wohl —
lassen Sie mich mal nachdenken. Meistens platzt sie ja bei mir herein, wenn ich
gegen vier Uhr meinen Tee trinke. War sie heute auch da? Nein, ich war heute
nachmittag im Museum. Ich meine natürlich gestern nachmittag. Dann sind wir uns
wohl irgendwann vorher hier auf dem — eh — den sanitären Anlagen begegnet. Wir
haben nämlich beide kein eigenes Badezimmer. Es ist wirklich ein Jammer.«
    »Was für einen Eindruck machte sie auf
Sie? War sie so wie immer?« fragte Fitzpatrick.
    »Es ging ihr nicht besonders gut, wie
immer, falls Sie das meinen. Wenn eine Frau in ihrem Alter jede Nacht bis in
die Puppen ausgeht und sich in schlechter Gesellschaft betrinkt, ist sie es
selbst schuld. Wie oft habe ich ihr das schon gesagt!«
    »Mit anderen Worten, sie hatte einen
Kater?«
    »So könnte man es nennen.«
    »Würden Sie sagen, daß sie sehr
depressiv war?«
    »Sie ist immer deprimiert, jammert
herum und klagt darüber, daß sie alt wird und nicht mehr schön genug ist. Dabei
braucht sich eine anständige Frau doch höchstens darüber Sorgen zu machen, ob
sie sauber und ordentlich angezogen ist.« Dolores zog den formlosen Morgenrock
fester um ihre tonnenförmige Figur.
    »Hat sie jemals in Ihrem Beisein von
Selbstmord gesprochen?«
    »Mindestens alle fünf Minuten. Ich
finde es allerdings absolut geschmacklos, über so etwas auch noch Witze zu
machen.«
    »Was für Witze waren es denn?«
    »Oh, russisches Roulett. Neulich hat
sie behauptet, sie hätte eine neue Version erfunden. Sie wollte eine ihrer
Magenkapseln mit Gift füllen und dann — aber jetzt sagen Sie mir doch zuerst
mal, was Sie überhaupt wollen. Ich habe schließlich ein Recht, es zu erfahren.«
    Fitzgibbon erzählte es ihr. »Die Gräfin
Ouspenska liegt mit Arsenvergiftung im Krankenhaus, und wir würden gern wissen,
wie es dazu gekommen ist.«
    »Um Gottes willen! Dann bin ich ja
schuld daran!«
    »Wieso Sie?«
    »Weil«, Dolores fuhr sich mit ihrer
eckigen roten Hand über ihr eckiges rotes Gesicht, »ich nicht geglaubt habe,
daß sie es ernst meinte. Ich dachte, es wäre bloß wieder einer ihrer dummen
Späße. Ich hätte sie daran hindern müssen!«
    »Wie hätten Sie das gekonnt?«
    »Ich weiß es nicht. Ich hätte ihr
vielleicht die Kapseln wegnehmen können.« Dolores ließ sich auf einen Stuhl
fallen. »Ich weiß es auch nicht.«
    »Nun beruhigen Sie sich doch wieder,
Mrs. Tawne«, sagte Fitzpatrick, der ein mitfühlender Mensch war. »Sie können
sich doch nicht die Schuld daran geben, wenn ein anderer Mensch beschließt,
etwas derart Schwachsinniges zu inszenieren. Können Sie sich noch daran
erinnern, was genau sie Ihnen über die Sache erzählt hat?«
    »Soweit ich mich erinnere, hat sie
gesagt, sie würde die Füllung aus einer ihrer Magenkapseln herausnehmen, sie
hat nämlich immer schreckliche Probleme mit dem Magen, weil sie sich so falsch
ernährt oder vielmehr weil sie sich überhaupt nicht ernährt. Na ja, jedenfalls
hat sie gemeint, sie wollte eine Kapsel mit Gift füllen und dann wieder zu den
anderen legen. So würde sie nicht wissen, wann sie das Gift zu sich nehmen
würde. Es wäre viel lustiger, wenn es eine Überraschung wäre. Genau das hat sie
gesagt: lustiger. Ich habe ihr gesagt, sie sollte aufhören, sich derart kindisch
aufzuführen, aber sie hat mich nur ausgelacht.« Dolores brach in Tränen aus.
    Sarah legte ihren Arm um die
fleischigen Schultern. »Mrs. Tawne, nehmen Sie es sich doch bitte nicht so sehr
zu Herzen. Vielleicht übersteht sie ja auch alles heil. Die Ärzte tun alles,
was sie können. Warum machen Sie sich nicht eine schöne Tasse Tee und legen
sich wieder ins Bett?«
    »Genau«, sagte Fitzgibbon. »Wir
verschwinden jetzt und lassen Sie schlafen. Wissen Sie, ob es eine Möglichkeit
gibt, in das Atelier von Gräfin Ouspenska zu kommen?«
    »Wahrscheinlich brauchen Sie nur die
Tür aufzumachen. Meistens vergißt sie nämlich abzuschließen. Von hier aus ist
es die zweite Tür rechts.«
    Wie Dolores vorhergesagt hatte, war die
Tür nicht abgeschlossen. Sie marschierten hinein. Bittersohn fand einen
Lichtschalter und tauchte den Raum in das schwache Licht einer gelblichen
20-Watt-Birne.
    »Jesses«, sagte Fitzgibbon. »Hier sieht
es ja aus wie ein Trödelmarkt. Die muß wirklich ein bißchen verrückt sein.«
    »Sie ist eine Künstlerin«, sagte Sarah.
Irgendwie fühlte sie sich verpflichtet, die Gräfin in Schutz zu nehmen.
    »Ach ja? Wo würde sie denn wohl Ihrer
Meinung nach ihre

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