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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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während ihre Füße immer kälter wurden, betrübt bis an den Tod.
    Daheim wartete Charles; die Hirondelle hatte donnerstags immer Verspätung. Madame kehrte endlich zurück! kaum dass sie die Kleine küsste. Das Essen war nicht fertig, einerlei! sie nahm die Köchin in Schutz. Alles schien jetzt dem Mädchen erlaubt.
    Oft sah der Mann ihre Blässe und fragte, ob sie sich krank fühle.
    »Nein«, sagte Emma.
    »Aber«, erwiderte er, »du bist heut abend so seltsam?«
    »Ach! mir fehlt nichts! mir fehlt nichts!«
    Es gab sogar Tage, an denen sie, kaum zu Hause, hinaufging in ihr Zimmer; und Justin, der zufällig da war, schlich auf leisen Sohlen umher, bediente sie weit geschickter als die beste Kammerfrau. Er holte Streichhölzer, den Kerzenständer, ein Buch, legte ihr Nachthemd bereit, schlug das Bett auf.
    »Schon gut«, sagte sie, »los, geh jetzt!«
    Denn er stand da, mit baumelnden Armen und aufgerissenen Augen, wie eingesponnen in die zahllosen Fäden eines jähen Traums.
    Der nächste Tag war grauenhaft, und die folgenden waren noch unerträglicher, wegen der Ungeduld, mit der Emma sich nach ihrem Glück verzehrte, – eine wilde Gier, angefacht durch bekannte Bilder, die am siebten Tag in Léons Umarmungen hemmungslos hervorbrach. Seine Leidenschaft verbarg sich hinter überschwenglicher Bewunderung und Dankbarkeit. Emma genoss diese Liebe unauffällig und konzentriert, schürte sie mit allen Raffinessen ihrer Zärtlichkeit und bangte ein wenig, sie könne dereinst schwinden.
    Oft sagte sie mit sanft melancholischer Stimme:
    »Ach! du wirst mich verlassen! … wirst heiraten! … wirst sein wie die anderen.«
    Er fragte:
    »Welche anderen?«
    »Die Männer eben, im allgemeinen«, antwortete sie.
    Dann schob sie ihn mit wehmütiger Geste von sich und hauchte:
    »Ihr seid alle abscheulich!«
    Eines Tages, als beide ganz philosophisch über irdische Enttäuschungen plauderten, sagte sie (um seine Eifersucht auf die Probe zu stellen, oder vielleicht einem allzu starken Mitteilungsbedürfnis nachgebend), früher einmal, vor ihm, habe sie jemanden geliebt, »nicht so wie dich!«, fügte sie rasch hinzu und schwor beim Haupt ihrer Tochter, es sei nichts geschehen .
    Der junge Mann glaubte ihr, stellte aber dennoch Fragen und wollte wissen, was er machte.
    »Er war Kapitän zur See, mein Freund.«
    Verhinderte sie nicht jede Nachforschung und stellte sich zugleich auf ein Podest, wenn sie offenbar einen Mann in ihren Bann geschlagen hatte, der sicher von kriegerischem Temperament war und gewöhnt an Schmeicheleien?
    Da wurde dem Kanzlisten die Winzigkeit seiner Position bewusst; er wünschte sich Epauletten, Kreuze, Titel. Das alles musste ihr gefallen: er merkte es an ihrem Hang zum Verschwenderischen.
    Und doch verschwieg Emma viele ihrer überspannten Wünsche, wie zum Beispiel, dass sie für ihre Fahrten nach Rouen gern einen blauen Tilbury gehabt hätte, mit einem englischen Pferd und gelenkt von einem Groom in Stulpenstiefeln. Justin hatte ihr diese Grille eingeflüstert, als er sie anflehte, ihn als Kammerdiener ins Haus zu nehmen; und wenn das Verzichtenmüssen die Freude der Ankunft bei den Rendezvous auch nicht schmälerte, so verschlimmerte es doch die Bitternis der Heimkehr.
    Oft, wenn sie gemeinsam von Paris sprachen, murmelte sie irgendwann:
    »Ach! wie schön wäre es, könnten wir dort leben!«
    »Sind wir denn nicht glücklich?« entgegnete sanft der junge Mann und strich ihr mit der Hand übers Haar.
    »Ja, du hast recht«, sagte sie, »ich bin verrückt; küss mich!«
    Zu ihrem Mann war sie bezaubernder denn je, machte ihm Crème mit Pistazien und spielte nach dem Abendessen Walzer. Er hielt sich für den seligsten Menschen auf Erden, und Emma lebte frei von Sorgen, doch plötzlich, eines Abends:
    »Du nimmst deine Stunden bei Mademoiselle Lempereur, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Hm, ich hab sie heute nachmittag bei Madame Liégeard gesehen«, fuhr Charles fort. »Ich hab von dir erzählt; sie kennt dich nicht.«
    Es traf sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Dennoch antwortete sie gelassen:
    »Ah! hat sie etwa meinen Namen vergessen?«
    »Vielleicht gibt es ja in Rouen«, sagte der Arzt, »mehrere Demoiselles Lempereur, die Klavierlehrerin sind?«
    »Gut möglich!«
    Dann, unwirsch:
    »Ich habe doch ihre Quittungen, hier! schau.«
    Und sie ging zum Sekretär, wühlte in den Schubladen, brachte alle Papiere durcheinander und geriet am Ende in solche Aufregung, dass Charles inständig bat, sie möge

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