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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Frauen, Körbe gegen ihre Hüften gepresst, ließen dann und wann einen lauten Ruf ertönen, an den Straßenecken. Sie ging mit gesenktem Blick, dicht an den Hauswänden und vor Vergnügen lächelnd, unter ihrem herabgelassenen schwarzen Schleier.
    Aus Angst, gesehen zu werden, nahm sie meist nicht den kürzesten Weg. Sie huschte durch finstere Gässchen und gelangte schweißgebadet unten in der Rue Nationale zu dem Brunnen, der dort steht. Dieses Viertel ist die Heimat des Theaters, der Kneipen und Dirnen. Oft fuhr ein Karren an ihr vorbei, beladen mit schwankender Bühnendekoration. Kellner in Schürzen streuten Sand auf die Steinplatten, zwischen grünen Sträuchern. Es roch nach Absinth, Zigarre und Austern.
    Sie bog in eine Straße; sie erkannte ihn am lockigen Haar, das unter seinem Hut hervorschaute.
    Léon spazierte weiter auf dem Trottoir. Sie folgte ihm bis zum Hotel; er ging hinauf, öffnete die Tür, trat ein … Endlich die Umarmung!
    Dann sprudelten Worte, nach den Küssen. Man erzählte sich von den Kümmernissen der Woche, den Vorahnungen, den Ängsten wegen der Briefe; jetzt aber war alles vergessen, und sie blickten einander ins Gesicht, lachten vor Lust und gaben sich Kosenamen.
    Das Bett war ein großes Mahagonibett in Form eines Nachens. Vorhänge aus roter Levantine fielen von der Decke, zu tief gerafft am ausladenden Kopfende; – und nichts auf der Welt war so schön wie ihr dunkles Haar und ihre weiße Haut, die sich abhoben von diesem Purpur, wenn sie aus Scham ihre nackten Arme hob und das Gesicht in den Händen barg.
    Der warme Raum mit seinem schlichten Teppich, seinem verspielten Zierat und seinem sanften Licht schien besonders geeignet für die Vertraulichkeiten der Leidenschaft. Die spitz zulaufenden Bettsäulen, die Gardinenhalter aus Messing und die dicken Kugeln der Feuerböcke schimmerten, wenn plötzlich die Sonne hereinstrahlte. Auf dem Kamin lagen zwischen den Kandelabern zwei von jenen großen rosaroten Muscheln, in denen man das Meer rauschen hört, drückt man sie ans Ohr.
    Wie sehr liebten sie dieses wohlige Zimmer mit all seiner Fröhlichkeit, war sein Glanz auch ein wenig verblasst! Sie fanden die Möbel stets am gewohnten Platz und manchmal Haarnadeln, die sie am letzten Donnerstag vergessen hatte, unterm Fuß der Pendeluhr. Sie aßen vor dem Kamin, an einem runden, mit Palisandereinlagen verzierten Tischchen. Emma schnitt Stücke, legte sie ihm auf den Teller und sagte dabei allerhand Schmeicheleien; und sie lachte schallend und zügellos, wenn der Champagnerschaum über den Rand des hauchfeinen Glases auf ihre beringten Finger perlte. Sie waren so vollkommen versunken ins wechselseitige Besitzen, dass sie meinten, in ihrem eigenen Haus zu sein und hier leben zu dürfen bis zum Tod, wie ewig junge Eheleute. Sie sagten unser Zimmer, unser Teppich, unsere Sessel, und sie sagte sogar meine Pantöffelchen, ein Geschenk von Léon, eine Laune, die er ihr erfüllt hatte. Es waren Pantöffelchen aus rosa Atlas, gesäumt mit Schwanenflaum. Wenn er sie auf den Schoß nahm, baumelte ihr zu kurzes Bein in der Luft; und das niedliche Schuhwerk, an der Ferse offen, hing bloß an den Zehen ihres nackten Fußes.
    Er genoss zum ersten Mal das unbeschreibliche Raffinement weiblicher Eleganz. Nie zuvor war ihm diese Anmut der Sprache begegnet, diese Dezenz in der Kleidung, diese Pose eines schlummernden Täubchens. Er bewunderte das Schwärmerische ihrer Seele und die Spitzen ihres Unterrocks. Außerdem, war sie nicht eine Frau von Welt , noch dazu eine verheiratete Frau! also eine richtige Geliebte?
    Durch die Vielfalt ihrer Stimmungen, bald mystisch, bald heiter, fröhlich plappernd, still verschlossen, aufbrausend, unbekümmert, entflammte sie in ihm tausend Begierden, weckte Triebe oder Erinnerungen. Sie war die Liebende aller Romane, die Heldin aller Tragödien, das nebelhafte sie aller Gedichtbände. Auf ihren Schultern fand er die Bernsteinfarbe der Odaliske im Bad ; sie hatte die lange Taille feudaler Burgherrinnen; sie glich obendrein der blassen Frau von Barcelona , vor allem aber war sie Engel!
    Oft, wenn er sie ansah, war ihm, als schwebe seine Seele zu ihr, schmiege sich wie eine Welle um ihr Haupt und gleite hinabgezogen in das Weiß ihrer Brust.
    Er saß am Boden, vor ihr; und die beiden Ellbogen auf ihren Knien, betrachtete er sie lächelnd und mit erhobener Stirn.
    Sie beugte sich über ihn und flüsterte, wie atemlos im Rausch:
    »Oh! rühr dich nicht! sag nichts! schau

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