Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
nichts mehr!«
Sie weinte, sie nannte ihn sogar »ihren guten Monsieur Lheureux«. Doch er schob alles auf diesen »Halunken Vinçart«. Außerdem besaß er keinen Centime, niemand zahlte ihn derzeit, man zog ihm das Fell über die Ohren, ein armer Kleinhändler wie er konnte nichts vorschießen.
Emma schwieg; und Monsieur Lheureux, der an den Fahnen einer Feder kaute, wurde durch ihr Verstummen offenbar unruhig, denn er fuhr fort:
»Freilich, wenn dieser Tage doch etwas hereinkäme … dann könnte ich …«
»Übrigens«, sagte sie, »sobald der ausstehende Betrag für Barneville …«
»Wie? …«
Und als er hörte, dass Langlois noch nicht gezahlt hatte, wirkte er sehr überrascht. Dann, mit honigsüßer Stimme:
»Und wir einigen uns worauf …?«
»Oh, ganz wie Sie wollen!«
Nun schloss er die Augen, dachte nach, schrieb ein paar Zahlen, und mit der Erklärung, dass es ihn eine Heidenmühe kosten werde, dass die Sache riskant sei und dass er sich ausblute , diktierte er vier Wechsel à zweihundertfünfzig Franc, fällig im Abstand von jeweils einem Monat.
»Vorausgesetzt, Vinçart hört auf mich! Sonst bleibt’s dabei, ich fackle nicht lang, ich bin eine ehrliche Haut.«
Danach zeigte er ihr unaufdringlich diverse neue Waren, von denen jedoch seines Erachtens nichts gut genug war für Madame.
»Wenn ich mir vorstelle, ein Kleid zu sieben Sou der Meter, und garantiert farbecht! So was lassen sich die aufbinden! natürlich verrät man nicht, wie’s damit steht«, denn durch diese gebeichtete Spitzbüberei gegen andere wollte er sie vollends von seiner Redlichkeit überzeugen.
Dann rief er sie zurück und zeigte ihr drei Ellen Gipüre, die er letzthin gefunden hatte, »bei einer Versteigerung «.
»Ist die nicht schön!« sagte Lheureux; »wird heutzutage gern genommen, fürs Kopfteil der Sessel, die neueste Mode.«
Und flinker als ein Taschenspieler wickelte er die Gipüre in blaues Papier und drückte sie Emma in die Hand.
»Ich wüsste doch wenigstens gern …?«
»Ach was! später«, erwiderte er und kehrte ihr den Rücken.
Gleich am Abend drängte sie Bovary, seiner Mutter zu schreiben, diese möge rasch den gesamten noch ausstehenden Betrag der Erbschaft schicken. Die Schwiegermutter antwortete, sie habe nichts mehr; die Liquidation sei abgeschlossen, und es blieben, außer Barneville, Einkünfte von sechshundert Livre, welche sie ihnen pünktlich zahlen werde.
Da sandte Madame Rechnungen an zwei, drei Patienten und machte bald großzügig von diesem Mittel Gebrauch, denn es hatte Erfolg. Stets ergänzte sie vorsichtig das Postskriptum: »Sagen Sie meinem Mann nichts davon, Sie wissen, wie stolz er ist … Bitte verzeihen Sie … Ihre sehr ergebene …« Es folgte die eine oder andere Beschwerde; sie wurde abgefangen.
Um an Geld zu kommen, verkaufte sie ihre alten Handschuhe, ihre alten Hüte, den alten Trödel; und sie feilschte voller Raffgier – denn ihr bäurisches Blut befeuerte die Gewinnsucht. Bei ihren Reisen in die Stadt erschacherte sie noch allerlei Tand, den Monsieur Lheureux, wenn schon kein anderer, ihr gewiss abnehmen würde. Sie kaufte Straußenfedern, chinesisches Porzellan und Truhen; sie borgte von Félicité, von Madame Lefrançois, von der Wirtin der Croix rouge , von jedermann, ganz gleich wo. Mit dem Geld, das sie endlich für Barneville erhielt, bezahlte sie zwei Wechsel; die restlichen fünfzehnhundert Franc zerrannen. Sie ging neue Verbindlichkeiten ein, und immer so weiter!
Manchmal versuchte sie zwar nachzurechnen; doch sie entdeckte so horrende Dinge, dass sie es nicht für möglich hielt. Also begann sie von vorn, geriet durcheinander, schmiss alles hin und dachte nicht mehr daran.
Das Haus war jetzt ziemlich trostlos! Man sah Lieferanten herauskommen mit zornigen Gesichtern. Feine Tücher lagen auf dem Küchenherd, und die kleine Berthe trug, zu Madame Homais’ Entsetzen, löchrige Strümpfe. Wenn Charles zaghaft eine Bemerkung wagte, antwortete sie grob, es sei nicht ihre Schuld!
Warum diese Ausbrüche? Er erklärte alles mit ihrem alten Nervenleiden; und er warf sich vor, ihre Schwächen für Fehler gehalten zu haben, bezichtigte sich des Egoismus, wollte zu ihr laufen, sie umarmen.
»Ach! nein«, sagte er sich, »ich wäre ihr nur lästig!«
Und er blieb.
Nach dem Abendessen spazierte er oft allein durch den Garten; er nahm die kleine Berthe auf den Schoß, entfaltete sein Ärztejournal und versuchte ihr das Lesen beizubringen. Das Kind, das nie
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