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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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…«
    Dann, mehrere Zeilen überspringend, entdeckte sie:
    »Binnen einer Frist von vierundzwanzig Stunden.« – Was nur? »Den Gesamtbetrag von achttausend Franc bezahlen.« Und weiter unten stand sogar: »Sie wird mittels aller Rechtswege dazu genötigt, insbesondere durch Pfändung ihrer Möbel und sonstigen Habe.«
    Was tun? … Bereits in vierundzwanzig Stunden; morgen! Lheureux, dachte sie, wollte ihr wahrscheinlich wieder Angst machen; denn sie durchschaute auf einmal all seine Manöver, die Absicht hinter seinen Gefälligkeiten. Was sie beruhigte, war die übertriebene Höhe des Betrags.
    Doch weil sie in einem fort kaufte, nicht bezahlte, lieh, Wechsel unterschrieb, die Wechsel dann prolongierte und diese bei jeder neuen Fälligkeit anschwollen, hatte sie dem Herrn Lheureux schließlich ein Kapital bereitet, auf das er ungeduldig wartete für seine Spekulationen.
    Sie erschien bei ihm mit gleichgültiger Miene.
    »Wissen Sie, was ich vorgefunden habe? Das ist doch wohl ein Scherz!«
    »Nein.«
    »Wie bitte?«
    Langsam wandte er sich um und sagte, die Arme verschränkend:
    »Ja, meine Werteste, haben Sie denn geglaubt, ich würde bis zum Jüngsten Tag Ihr Lieferant und Bankier sein, um Gotteslohn? Ich muss auch auf meine Kosten kommen, das ist nur recht und billig!«
    Sie protestierte wegen der Summe.
    »Ah! nichts zu machen! das Gericht hat sie anerkannt! es gibt ein Urteil! man hat’s Ihnen zugestellt! Außerdem stecke nicht ich dahinter, sondern Vinçart.«
    »Könnten Sie vielleicht …?«
    »Oh! rein gar nichts.«
    »Aber …, immerhin …, reden wir vernünftig.«
    Und sie schwatzte ihn voll; sie habe nichts gewusst … sei völlig überrumpelt …
    »An wem liegt’s?« sagte Lheureux mit spöttischer Verbeugung. »Während ich rackere wie ein Neger, lassen Sie sich’s gutgehen.«
    »Bitte keine Moralpredigt!«
    »Kann nicht schaden«, erwiderte er.
    Sie war feige, sie bettelte; und sie legte sogar ihre hübsche, weiße, feingliedrige Hand auf das Knie des Händlers.
    »Lassen Sie das! Man könnte ja meinen, Sie wollen mich verführen!«
    »Elender Schuft!« rief sie.
    »Hoho! Sie sind wirklich gut!« antwortete er lachend.
    »Ich sorge dafür, dass alle erfahren, wer Sie sind. Ich werde meinem Mann sagen …«
    »Nun, und ich werde ihm etwas zeigen, Ihrem Mann!«
    Und Lheureux holte aus seinem Geldschrank die Quittung über achtzehnhundert Franc, welche sie ihm bei dem Diskontgeschäft mit Vinçart gegeben hatte.
    »Glauben Sie«, fügte er hinzu, »er wird Ihren kleinen Diebstahl nicht durchschauen, der gute, arme Mann?«
    Sie brach zusammen, betäubter als von einem Keulenschlag. Er lief zwischen Fenster und Schreibtisch auf und ab, ständig wiederholend:
    »Ja! ich werd’s ihm zeigen … ich werd’s ihm zeigen …«
    Dann trat er näher, und mit sanfter Stimme:
    »Das ist kein Vergnügen, ich weiß; bisher ist niemand dran gestorben, und schließlich ist es der einzige Weg, der Ihnen bleibt, mir mein Geld zurückzuzahlen …«
    »Aber wo soll ich es hernehmen?« sagte Emma händeringend.
    »Ach was! Sie haben doch Freunde!«
    Und er blickte ihr so durchdringend und furchteinflößend ins Gesicht, dass es ihr hineinfuhr bis in die Magengrube.
    »Ich verspreche Ihnen«, sagte sie, »ich unterschreibe …«
    »Ich hab genug von Ihren Unterschriften!«
    »Ich verkaufe noch was …«
    »Pah!« meinte er schulterzuckend, »Sie haben nichts mehr.«
    Und er rief durchs Guckloch in den Laden:
    »Annette! vergiss nicht die drei Stoffreste von der Nr. 14.«
    Die Magd kam herein; Emma begriff und fragte, wieviel Geld er brauche, um das Verfahren aufzuhalten.
    »Zu spät!«
    »Aber wenn ich Ihnen ein paar tausend Franc bringe, ein Viertel des Betrags, ein Drittel, fast alles?«
    »Nein, nein, völlig zwecklos!«
    Er schob sie langsam zur Treppe.
    »Ich flehe Sie an, Monsieur Lheureux, nur ein, zwei Tage!«
    Sie schluchzte.
    »Das fehlt noch! Tränen!«
    »Sie bringen mich zur Verzweiflung!«
    »Das juckt mich nicht!« sagte er und schloss die Tür.

    Anmerkungen

VII.

    Sie blieb stoisch am nächsten Tag, als Maître Hareng, der Gerichtsvollzieher, mit zwei Zeugen in ihrem Haus erschien, um das Pfändungsprotokoll anzufertigen.
    Mit Bovarys Sprechzimmer begannen sie und schrieben den phrenologischen Schädel nicht auf, denn er wurde als Werkzeug seines Berufs erachtet; sie zählten jedoch in der Küche die Teller, die Töpfe, die Stühle, die Leuchter und in ihrem Schlafzimmer allen Tand auf der Etagere.

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