Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
nicht weit von ihnen, hinter der Glasfront, in der hellen Sonne, plätscherte ein kleiner Springbrunnen in einem Marmorbecken, wo sich zwischen Kresse und Spargel drei träge Hummer hinüberreckten zu einem Haufen Wachteln, feinsäuberlich in Seitenlage gestapelt.
Homais schwelgte. Obwohl er sich mehr am Luxus berauschte denn am guten Essen, schärfte ihm der Pommard doch ein wenig die Sinne, und als das Rum-Soufflé auf den Tisch kam, verbreitete er über die Frauen unmoralische Theorien. Was ihn über alles reizte, war der Chic . Am liebsten mochte er eine elegante Toilette in einem schön möblierten Raum, und was die körperlichen Vorzüge betraf, war er kein Verächter von Leckerbissen .
Léon starrte verzweifelt auf die Pendeluhr. Der Pharmazeut trank, aß, sprach.
»Sie müssen wohl«, sagte er plötzlich, »in Rouen große Entbehrung leiden. Immerhin wohnt Ihre Liebste nicht allzuweit.«
Und als der andere errötete:
»Na, na, seien Sie ehrlich! Wollen Sie vielleicht abstreiten, dass Sie in Yonville …?«
Der junge Mann stotterte.
»Bei Madame Bovary um jemanden herumscharwenzelten …?«
»Und um wen?«
»Um das Mädchen!«
Er spaßte nicht; doch weil die Eitelkeit über alle Vorsicht siegte, protestierte Léon ungewollt. Außerdem möge er nur brünette Frauen.
»Ich teile Ihren Geschmack«, sagte der Apotheker; »die sind temperamentvoller.«
Dann beugte er sich zum Ohr seines Freundes und nannte ihm die Zeichen, an denen man erkenne, ob eine Frau Temperament hat. Er verstieg sich sogar zu einem ethnographischen Exkurs: die Deutsche war launenhaft, die Französin leichtlebig, die Italienerin leidenschaftlich.
»Und die Negerinnen?« fragte der Kanzlist.
»Das sind so Künstler-Gelüste«, sagte Homais. – »Kellner! zwei Tässchen!«
»Gehen wir?« rief Léon, am Ende seiner Geduld.
» Yes. «
Doch vor dem Aufbruch wollte er den Besitzer des Etablissements sehen und bedachte ihn mit ein paar Höflichkeiten.
Um endlich allein zu sein, behauptete der junge Mann, er habe zu tun.
»Ah! Ich begleite Sie!« sagte Homais.
Und während er mit ihm durch die Straßen lief, erzählte er von seiner Frau, seinen Kindern, ihrer Zukunft und seiner Apotheke, beschrieb, wie heruntergekommen sie einst gewesen war und zu welcher Vollendung er sie gebracht hatte.
Vor dem Hôtel de Boulogne angelangt, ließ Léon ihn abrupt stehen, rannte die Treppe hinauf und fand seine Geliebte in heller Aufregung.
Beim Namen des Apothekers entflammte ihr Zorn. Indes lieferte er einen guten Grund nach dem andern; es war nicht seine Schuld, sie kannte doch Monsieur Homais! glaubte sie wirklich, er ziehe ihr seine Gesellschaft vor? Sie wandte sich ab; er hielt sie fest; und auf die Knie sinkend, schlang er beide Arme um ihre Taille, in sich verzehrender Haltung voll Begierde und Flehen.
Sie stand aufrecht; ihre großen lodernden Augen betrachteten ihn ernst und beinah furchteinflößend. Dann wurden sie von Tränen verschleiert, ihre zartrosa Lider senkten sich, sie überließ ihm die Hände, und Léon presste sie an seine Lippen, da erschien ein Diener und bestellte Monsieur, er werde verlangt.
»Kommst du wieder?« sagte sie.
»Ja.«
»Aber wann?«
»Gleich.«
»Das war eine Finte «, sagte der Apotheker, als er Léon erblickte. »Ich wollte diesen Besuch abkürzen, mir schien, er falle Ihnen lästig. Wir gehen zu Bridoux und trinken ein Gläschen Garus.«
Léon schwor, er müsse zurück in seine Kanzlei. Da witzelte der Pharmazeut bloß über Papierkrieg, Prozesskram.
»So lassen Sie doch Cujas und Bartolus, zum Teufel! Was hindert Sie? Seien Sie ein Mann! Wir gehen zu Bridoux; dann bekommen Sie seinen Hund zu sehen. Das lohnt sich!«
Und als der Kanzlist sich immer noch weigerte:
»Ich komme mit. Ich lese eine Zeitung und warte auf Sie, oder ich blättere in einem Code Civil.«
Léon, betäubt durch Emmas Wutanfall, Monsieur Homais’ Geschwätz und vielleicht das schwere Mittagessen, stand unentschlossen und wie im Bann des Apothekers, der wieder sagte:
»Wir gehen zu Bridoux! das sind nur ein paar Schritte, Rue Malpalu.«
Aus Feigheit, aus Dummheit, aus jenem schwer bestimmbaren Gefühl, das uns zu den unsympathischsten Handlungen verleitet, ließ er sich also mitschleppen zu Bridoux; und sie fanden ihn in seinem kleinen Hof, wo er drei Jungen überwachte, die keuchend das große Rad einer Maschine zur Herstellung von Selterswasser antrieben. Homais gab ihnen Ratschläge; er umarmte Bridoux; sie
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