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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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zum Lernen angehalten wurde, machte bald große, traurige Augen und begann zu weinen. Also tröstete er, holte Wasser in der Gießkanne und zog Flüsse durch den Sand oder brach Zweige vom Liguster und pflanzte Bäume in den Rabatten, was dem Garten wenig schadete, überwuchert von hohem Unkraut; man war Lestiboudois so viele Tage schuldig! Dann fror das Kind und verlangte nach seiner Mutter.
    »Ruf dein Mädchen«, sagte Charles. »Du weißt ja, Kleines, deine Mama will nicht gestört werden.«
    Der Herbst kam, und schon fielen die Blätter – wie vor zwei Jahren, bei ihrer Krankheit! Wann war das bloß alles zu Ende! … Und er ging weiter, die Hände im Rücken verschränkt.
    Madame war auf ihrem Zimmer. Niemand durfte herein. Sie verbrachte hier den ganzen Tag, träge, kaum bekleidet, und brannte orientalisches Räucherwerk, das sie in Rouen gekauft hatte, im Laden eines Algeriers. Um nachts diesen schlafenden Mann nicht länger neben sich liegen zu haben, verscheuchte sie ihn schließlich, durch ihre ständig angewiderte Miene, in den zweiten Stock; und sie las bis frühmorgens extravagante Bücher, in denen sich orgiastische Bilder mit blutrünstigen Szenen mischten. Oft packte sie Grausen, ihr entfuhr ein Schrei, Charles kam gelaufen.
    »Ah, verschwinde!« sagte sie.
    Und dann wieder, noch heftiger entflammt von jener inneren Glut, die der Ehebruch schürte, riss sie ihr Fenster auf, keuchend, erregt, voll Begierde, atmete die kalte Luft, schüttelte im Wind ihr allzu schweres Haar und wünschte sich, zu den Sternen emporblickend, die Liebe eines Prinzen. Sie dachte an ihn, an Léon. Sie hätte alles gegeben für ein einziges dieser Rendezvous, die sie sättigten.
    Das waren ihre Festtage. Glanzvoll mussten sie sein! und wenn er die Auslagen nicht allein zahlen konnte, übernahm sie bereitwillig den Fehlbetrag, was praktisch jedesmal passierte. Er versuchte ihr klarzumachen, dass sie anderswo genausogut aufgehoben wären, in einem bescheideneren Hotel; sie jedoch hatte Einwände.
    Eines Tages holte sie sechs Vermeillöffelchen aus der Tasche (das Hochzeitsgeschenk von Vater Rouault) und bat ihn, unverzüglich für sie ins Pfandhaus zu gehen; und Léon gehorchte, obwohl ihm der Auftrag missfiel. Er hatte Angst, sich zu kompromittieren.
    Dann, als er nachdachte, fand er, das Benehmen seiner Geliebten werde immer seltsamer und vielleicht habe man nicht unrecht, ihn von ihr abbringen zu wollen.
    Tatsächlich hatte jemand seiner Mutter einen langen, anonymen Brief geschickt und sie wissen lassen, dass er sich mit einer verheirateten Frau zugrunde richte ; und die alte Dame, das ewige Schreckbild aller Familien vor Augen, das heißt, die irgendwie verderbliche Kreatur, die Sirene, das Ungeheuer, gespenstisch behaust in den Tiefen der Liebe, schrieb stante pede an Maître Dubocage, seinen Chef, der sich in dieser Angelegenheit tadellos verhielt. Er knöpfte ihn sich vor, eine Dreiviertelstunde lang, wollte ihm die Augen öffnen, ihn warnen vor dem Abgrund. Eine solche Affäre schade seinem Fortkommen. Er beschwor ihn zu brechen, und wenn er dieses Opfer schon nicht aus eigenem Interesse bringe, dann wenigstens ihm, Dubocage, zuliebe!
    Léon hatte schließlich geschworen, Emma nicht wiederzusehen; und er machte sich Vorwürfe, dass er sein Wort nicht hielt, zumal wenn er überlegte, wieviel Unannehmlichkeiten und Gerede er sich durch diese Frau noch einhandeln konnte, zu schweigen vom Spott seiner Kameraden, den er morgens am Ofen serviert bekam. Außerdem sollte er bald zum ersten Kanzlisten aufrücken: es war an der Zeit, seriös zu werden. Darum entsagte er dem Flötenspiel, den übersteigerten Gefühlen, der Phantasie: – denn jeder Bürger glaubt sich in der Hitze seiner Jugend, und wär’s auch nur für einen Tag, eine Minute, fähig zu hemmungslosen Leidenschaften, zu großen Unterfangen. Der bescheidenste Libertin hat von Sultaninnen geträumt; jeder Notar trägt in sich die Trümmer des Dichters.
    Er langweilte sich jetzt, wenn Emma plötzlich schluchzte an seiner Brust; und sein Herz, so wie Menschen, die nur ein gewisses Quantum Musik vertragen, entschlummerte gleichgültig im Getöse einer Liebe, deren Raffinements es nicht mehr erreichten.
    Sie kannten einander zu gut und vermochten nicht länger jenes Staunen zu empfinden, das die Lust des Besitzens verhundertfacht. Sie war seiner so überdrüssig wie er ihrer müde. Emma fand im Ehebruch von neuem alle Schalheit der Ehe.
    Doch wie konnte sie ihn

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