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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Lyra mit ehernen Saiten, elegische Epithalamien gen Himmel sendend, warum sollte sie ihn dann nicht finden? Oh! wie unmöglich! nichts lohnte wirklich die Mühe des Suchens; überall Lüge! Hinter jedem Lächeln steckte gelangweiltes Gähnen, hinter jeder Freude ein Fluch, hinter jedem Vergnügen der Ekel, und die besten Küsse hinterließen auf den Lippen nur unerfüllbare Gier nach noch größerer Lust.
    Ein metallisches Röcheln schwang durch die Lüfte, und vier Schläge tönten von der Klosteruhr. Erst vier! und ihr war, als säße sie auf dieser Bank seit einer Ewigkeit. Doch maßlose Leidenschaften haben Platz in einer Minute, wie Menschenmassen auf kleinem Raum.
    Emma lebte dahin, ganz mit den ihren beschäftigt, und machte sich nicht mehr Sorgen ums Geld als eine Erzherzogin.
    Einmal jedoch kam ein Mann von mickriger Erscheinung, rotgesichtig und glatzköpfig, und erklärte ihr, Monsieur Vinçart aus Rouen habe ihn geschickt. Er entfernte die Nadeln, mit denen die Seitentasche seines langen grünen Gehrocks verschlossen war, steckte sie auf seinen Ärmel und reichte ihr höflich ein Papier.
    Es war ein Wechsel über siebenhundert Franc, von ihr unterschrieben, den Lheureux, all seinen Versicherungen zum Trotz, auf Vinçart übertragen hatte.
    Sie schickte ihre Dienerin. Er war verhindert.
    Der Unbekannte, der stehengeblieben war und im Schutz seiner buschigen, blonden Augenbrauen neugierige Blicke um sich warf, fragte nun mit harmloser Miene:
    »Welche Antwort darf ich Monsieur Vinçart bringen?«
    »Hm«, antwortete Emma, »sagen Sie ihm … ich hab keins … Vielleicht nächste Woche … Er soll warten …, ja, nächste Woche.«
    Und der Kerl ging, ohne ein Wort.
    Doch am nächsten Tag, gegen zwölf, erhielt sie einen Protest; und der Anblick des Stempelpapiers, auf dem mehrfach und in großen Lettern »Maître Hareng, Gerichtsvollzieher in Buchy« prangte, erschreckte sie so sehr, dass sie auf der Stelle zum Tuchhändler rannte.
    Er stand in seinem Laden und verschnürte ein Paket.
    »Gehorsamster Diener!« sagte er, »was kann ich für Sie tun?«
    Lheureux fuhr dabei in seiner Arbeit fort, unterstützt von einem etwa dreizehnjährigen Mädchen mit leichtem Buckel, das sein Kommis war und zugleich seine Köchin.
    Dann klackerten seine Holzpantinen über die Ladendielen, und er stieg vor Madame hinauf in den ersten Stock, führte sie in ein schmales Büro, wo auf einem mächtigen Schreibtisch aus Tannenholz mehrere Kontobücher standen, gesichert durch eine quer verlaufende Eisenstange samt Vorhängeschloss. An der Wand, unter Resten bedruckter Baumwollstoffe, konnte man einen Geldschrank ausmachen, der freilich so groß war, dass er noch andere Dinge enthalten musste als Wechsel und Bares. Monsieur Lheureux verlieh in der Tat gegen Pfand, und hier hinein hatte er Madame Bovarys Goldkette gelegt, neben die Ohrringe des armen Vater Tellier, der, schließlich zum Verkauf gezwungen, in Quincampoix einen elenden Krämerladen erworben hatte, wo er an seinem Katarrh dahinsiechte, zwischen Talgkerzen, die weniger gelb waren als sein Gesicht.
    Lheureux setzte sich in seinen breiten Strohsessel und sagte:
    »Was gibt’s Neues?«
    »Hier.«
    Und sie zeigte ihm das Papier.
    »Was kann ich dafür?«
    Da geriet sie in Zorn, erinnerte ihn an sein Versprechen, ihre Wechsel nicht in Umlauf zu setzen; das räumte er ein.
    »Ich war selbst dazu genötigt, mir saß das Messer an der Kehle.«
    »Und was geschieht jetzt?« wollte sie wissen.
    »Oh! das ist ganz einfach: ein Gerichtsurteil und dann die Pfändung …; prost Mahlzeit !«
    Emma bezwang sich, um ihn nicht zu schlagen. Sie fragte ruhig, ob Monsieur Vinçart nicht irgendwie zu beschwichtigen sei.
    »Oho, sehr gut! Vinçart beschwichtigen; Sie kennen ihn nicht; der ist grausamer als ein Araber.«
    Aber Monsieur Lheureux müsse sich unbedingt kümmern.
    »Hören Sie! mir scheint, bis jetzt war ich sehr großzügig zu Ihnen.«
    Und eines seiner Kontobücher aufschlagend:
    »Hier.«
    Dann mit dem Finger die Seite hinauffahrend:
    »Mal sehen …, mal sehen … Am 3. August zweihundert Franc … am 17. Juni hundertfünfzig … 23. März sechsundvierzig … Im April …«
    Er verstummte, als fürchte er, eine Dummheit zu machen.
    »Und dabei übergehe ich die von Monsieur unterschriebenen Wechsel, einen über siebenhundert Franc, einen andern über dreihundert! Was Ihre kleinen Raten anlangt, die Zinsen, das nimmt ja kein Ende, man wird ganz konfus. Ich kümmere mich um

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