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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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ihm guten Wein, gutes Bier, gute Braten. Der Blinde leierte weiter sein Lied; übrigens wirkte er beinah schwachsinnig. Endlich öffnete Monsieur Homais seinen Geldbeutel.
    »Da hast du einen Sou, gib mir zwei Liard wieder; und vergiss nicht meine Ratschläge, sie werden dir guttun.«
    Hivert erlaubte sich lauthals den einen oder anderen Zweifel an ihrer Wirksamkeit. Der Pharmazeut versicherte aber, er werde ihn heilen, mit einer entzündungshemmenden Salbe eigener Mischung, und er nannte seine Adresse:
    »Monsieur Homais, am Markt, allseits bekannt.«
    »Na, zum Lohn für die Müh«, sagte Hivert, »darfst du uns deine Komödie vorführen .«
    Der Blinde sank in die Knie, und den Kopf nach hinten geworfen, die grünlichen Augen rollend und die Zunge herausgestreckt, rieb er sich mit beiden Händen den Bauch, während er zugleich ein dumpfes Geheul ausstieß, wie ein halbverhungerter Hund. Emma, von Ekel gepackt, schleuderte ein Fünf-Franc-Stück über die Schulter. Das war ihr ganzer Reichtum. Sie fand es schön, ihn so wegzuwerfen.
    Der Wagen fuhr schon wieder, da beugte sich Monsieur Homais plötzlich aus dem Klappfenster und rief:
    »Keine stärke- und milchhaltigen Speisen! Wolle auf der Haut tragen und die kranken Stellen dem Dampf von Wacholderbeeren aussetzen!«
    Der Anblick bekannter Dinge, die an ihren Augen vorüberzogen, ließ Emma ihr gegenwärtiges Leid ein wenig vergessen. Unerträgliche Müdigkeit drückte sie nieder, und so erreichte sie ihr Zuhause, betäubt, mutlos, fast eingeschlafen.
    »Komme, was wolle!« sagte sie sich.
    Und dann, wer weiß? warum sollte nicht aus heiterm Himmel etwas Ungewöhnliches passieren? Lheureux konnte sogar sterben.
    Morgens um neun wurde sie von Stimmengewirr unten auf dem Platz geweckt. An der Markthalle waren Menschen zusammengeströmt, um einen großen Anschlag zu lesen, der an einem Pfosten klebte, und sie sah, dass Justin auf einen Prellstein kletterte und den Anschlag herunterfetzte. Doch im selben Augenblick packte ihn der Feldhüter am Schlafittchen. Monsieur Homais kam aus der Apotheke gelaufen, und Mutter Lefrançois schien inmitten der Menge zu salbadern.
    »Madame! Madame!« rief die hereinstürzende Félicité, »es ist abscheulich!«
    Und das arme Mädchen, ganz durcheinander, reichte ihr ein gelbes Blatt, das sie eben von der Tür gerissen hatte. Emma las mit einem Blick, dass ihr gesamtes Mobiliar zur Versteigerung kam.
    Stumm schauten sie sich an. Sie hatten, Dienstmagd und Herrin, kein Geheimnis voreinander. Endlich seufzte Félicité:
    »Wenn ich Sie wäre, Madame, ich würde zu Monsieur Guillaumin gehen.«
    »Glaubst du? …«
    Und diese Frage bedeutete:
    »Du kennst das Haus durch seinen Diener, hat der Herr vielleicht dann und wann von mir gesprochen?«
    »Ja, gehen Sie hin, das ist am besten.«
    Sie kleidete sich an, nahm ihr schwarzes Kleid und das Kapotthütchen mit den Jettperlen; und um nicht gesehen zu werden (der Platz war immer noch voller Leute), lief sie um das Dorf herum, über den Weg am Flussufer.
    Ganz atemlos kam sie ans Gartentor des Notars; der Himmel war trüb, und es fiel ein wenig Schnee.
    Auf ihr Klingeln erschien Théodore in roter Weste auf der Außentreppe; er kam und öffnete fast familiär, wie einer guten Bekannten, und führte sie ins Esszimmer.
    Ein großer Porzellanofen schnurrte unter einem Kaktus, der die Nische füllte, und in schwarzen Holzrahmen auf eichengemaserter Tapete hingen Steubens Esmeralda und Schopins Potiphar . Der gedeckte Tisch, zwei silberne Rechauds, die kristallenen Türknäufe, das Parkett und die Möbel, alles glänzte vor makelloser, englischer Sauberkeit; die Fensterscheiben waren in jeder Ecke mit Buntglas verziert.
    »So ein Esszimmer«, dachte Emma, »müsste ich haben!«
    Der Notar kam herein, mit dem linken Arm seinen palmwedelgeschmückten Hausmantel gegen den Leib drückend, während er mit der andern Hand rasch sein kastanienbraunes Samtbarett lüpfte, das eitel auf der rechten Seite saß, denn hier endeten drei blonde Strähnen, die dem Hinterkopf entsprossen und sich um seinen kahlen Schädel wanden.
    Nachdem er ihr einen Stuhl angeboten hatte, setzte er sich zum Frühstück, unter vielen Entschuldigungen wegen dieser Unhöflichkeit.
    »Monsieur«, sagte sie, »ich möchte Sie bitten …«
    »Um was, Madame? Ich höre.«
    Sie begann ihre Lage zu schildern.
    Maître Guillaumin kannte sie, denn er steckte insgeheim mit dem Tuchhändler unter einer Decke, bei dem er stets Gelder fand

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