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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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für hypothekarisch gesicherte Darlehen, die man ihn aufzunehmen bat.
    Er wusste also (und besser als sie) um die lange Geschichte dieser Wechsel, ganz unbedeutend zunächst, mit verschiedenen Namen als Indossanten, auf lange Fälligkeiten ausgestellt und ständig prolongiert, bis zu dem Tag, da der Händler alle Proteste zusammengenommen und seinen Freund Vinçart beauftragt hatte, in eigenem Namen die nötigen gerichtlichen Schritte zu veranlassen, denn er wollte bei seinen Mitbürgern nicht als Halsabschneider gelten.
    Sie mischte in ihren Bericht Vorwürfe gegen Lheureux, Vorwürfe, zu denen der Notar von Zeit zu Zeit ein paar nichtssagende Worte fallen ließ. Er aß sein Kotelett und trank seinen Tee, dabei versenkte er das Kinn in seine himmelblaue Halsbinde, gespickt mit zwei Diamantnadeln, die ein Goldkettchen verband; und er lächelte immerzu mit einem merkwürdigen Lächeln, auf süßliche und zweifelhafte Art. Doch als er merkte, dass sie nasse Füße hatte:
    »Rücken Sie doch näher an den Ofen … weiter hinauf … an die Kacheln.«
    Sie hatte Angst, etwas schmutzig zu machen. Der Notar erwiderte galant:
    »Schöne Dinge können nichts beschädigen.«
    Nun versuchte sie ihn zu rühren, und wurde dabei selbst so rührselig, dass sie anfing von der Enge ihres Hausstands zu erzählen, von ihren Verlegenheiten, ihren Bedürfnissen. Das konnte er gut verstehen: eine elegante Frau! und ohne mit dem Essen aufzuhören, hatte er sich ganz ihr zugewandt, sodass er mit dem Knie ihr Stiefelchen berührte, dessen Sohle sich am Ofen dampfend wölbte.
    Doch als sie ihn um tausend Écu bat, kniff er die Lippen zusammen und erklärte dann, sehr zu bedauern, dass er seinerzeit ihr Vermögen nicht verwaltet habe, denn es gäbe hundert überaus bequeme Möglichkeiten, selbst für eine Dame, sein Geld anzulegen. Man hätte entweder mit den Torfgruben von Grumesnil oder den Grundstücken in Le Havre fast risikofrei vortreffliche Spekulationen wagen können; und sie verzehrte sich vor Wut bei dem Gedanken an die phantastischen Beträge, die sie gewisslich verdient hätte.
    »Wie kommt es«, fuhr er fort, »dass Sie mich nie aufgesucht haben?«
    »Ich weiß nicht recht«, sagte sie.
    »Warum, hm? … Hab ich Ihnen so viel Angst gemacht? Ja, ich müsste mich beklagen! Kaum dass wir einander kennen! Und doch bin ich Ihnen sehr ergeben; daran zweifeln Sie hoffentlich nicht mehr?«
    Er streckte seine Hand aus, ergriff die ihre, drückte einen gierigen Kuss darauf, dann behielt er sie auf seinem Knie; und er spielte zärtlich mit ihren Fingern, erzählte ihr tausend Schmeicheleien.
    Seine eintönige Stimme wisperte wie ein dahinplätschernder Bach; ein Funke blitzte aus seinem Auge durch die Spiegelung der Brille, und seine Hände langten in Emmas Ärmel, um ihre Haut zu tätscheln. Sie spürte auf ihrer Wange den Hauch seines keuchenden Atems. Der Mann war ihr furchtbar zuwider.
    Sie sprang auf und sagte:
    »Monsieur, ich warte!«
    »Worauf?« fragte der Notar und wurde plötzlich sehr blass.
    »Das Geld.«
    »Aber …«
    Dann, einem jähen, übermächtigen Verlangen nachgebend:
    »Gut, ja! …«
    Auf Knien rutschte er zu ihr, ohne Schonung für seinen Hausmantel.
    »Bitte, bleiben Sie! Ich liebe Sie!«
    Er umschlang ihre Taille.
    Tiefes Rot schoss Madame Bovary ins Gesicht. Sie wich mit entsetzter Miene zurück und schrie:
    »Sie nutzen meine Not schamlos aus, Monsieur! Ich bin zu bedauern, nicht zu kaufen!«
    Und sie ging.
    Der Notar blieb verdutzt zurück und starrte auf seine schönen bestickten Pantoffeln. Sie waren ein Geschenk der Liebe. Dieser Anblick tröstete ihn schließlich. Obendrein dachte er, ein solches Abenteuer hätte vielleicht allzu weit geführt.
    »Dieser Schuft! dieser Lump! … So eine Niedertracht!« sagte sie sich, während sie mit kräftigem Schritt unter den Espen der Chaussee davoneilte. Die Enttäuschung über den Fehlschlag steigerte die Empörung ihres verletzten Schamgefühls; ihr schien, die Vorsehung verfolge sie erbittert, und das schmeichelte ihrem Stolz, nie zuvor hatte sie so viel Achtung vor sich selbst empfunden, so viel Verachtung für die andern. Etwas Kämpferisches beseelte sie. Am liebsten hätte sie die Männer geschlagen, ihnen ins Gesicht gespuckt, alle miteinander zermalmt; und immer noch ging sie hastig geradeaus, blass, bebend, zornig, mit tränennassen Augen den leeren Horizont absuchend und gewissermaßen den Hass auskostend, der sie erstickte.
    Als ihr Haus auftauchte, wurde

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