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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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gastfrei, liberal, väterlich zu den Armen und ging den Pfad der Tugend, ohne an sie zu glauben, darum wäre er fast als Heiliger angesehen worden, hätte man ihn nicht seines geschliffenen Geistes wegen gefürchtet wie den Teufel. Sein Blick, schärfer als seine Skalpelle, fuhr einem hinab in die Seele und entblößte durch Ausflüchte und Verschämtheiten hindurch jede Lüge. Und so wandelte er einher in jener gutmütigen Würde, die dem Wissen um große Begabung, um Reichtum entspringt, sowie den vierzig Jahren eines arbeitsreichen, untadligen Lebens.
    Bereits an der Tür runzelte er die Stirn, als er das leichenblasse Gesicht Emmas sah, die auf dem Rücken lag, mit offenem Mund. Dann, während er Canivet zu lauschen schien, rieb er sich mit dem Zeigefinger unter der Nase und sagte mehrmals:
    »Gut, gut.«
    Doch er hob langsam die Schultern. Bovary bemerkte es: sie wechselten einen Blick; und dieser Mann, dem die Erfahrung von Schmerz so vertraut war, konnte eine Träne nicht unterdrücken, sie tropfte auf sein Jabot.
    Er wollte mit Canivet ins Nebenzimmer gehen. Charles folgte ihm.
    »Es steht sehr schlecht, hm? Und wenn man Senfpflaster auflegt? oder was weiß ich! Finden Sie irgendwas, Sie haben doch so viele gerettet!«
    Charles umschlang ihn mit beiden Armen, beobachtete ihn verstört, flehend, halb ohnmächtig an seiner Brust.
    »Mut, mein armer Junge, reißen Sie sich zusammen! Da ist nichts mehr zu machen.«
    Und Doktor Larivière wandte sich ab.
    »Sie gehen?«
    »Ich komme wieder.«
    Er lief hinaus, wie um dem Postillion eine Anweisung zu geben, zusammen mit dem Herrn Canivet, der gleichfalls keinen Wert darauf legte, dass Emma ihm unter den Händen wegstarb.
    Der Apotheker kam ihnen auf dem Platz hinterher. Er konnte sich, seiner Natur nach, von berühmten Leuten nicht trennen. Darum beschwor er Monsieur Larivière, ihm die große Ehre zu erweisen und bei ihm zu speisen.
    In aller Eile holte man Täubchen aus dem Lion d’or , alle vorrätigen Koteletts vom Metzger, Sahne bei Tuvache, Eier bei Lestiboudois, und der Pharmazeut half eigenhändig bei den Vorbereitungen, während Madame Homais, an den Bändern ihres Leibchens zupfend, sagte:
    »Sie müssen schon entschuldigen, Monsieur; in unsrer armseligen Gegend, wenn man da nicht am Tag vorher Bescheid weiß …«
    »Die Stielgläser!!!« schnaubte Homais.
    »Wären wir in der Stadt, dann könnten wir uns wenigstens mit gefüllten Schweinshaxen behelfen.«
    »Sei still! … Zu Tisch, Herr Doktor!«
    Er hielt es für angebracht, nach den ersten Bissen das eine oder andere Detail der Katastrophe zu erörtern:
    »Wir hatten zuerst ein Gefühl von Trockenheit im Pharynx, dann unerträgliche Schmerzen im Epigastrium, Superpurgation, Koma.«
    »Wie hat sie sich denn vergiftet?«
    »Ich habe keine Ahnung, Herr Doktor, ich weiß nicht einmal, wo sie sich diese arsenige Säure beschafft hat.«
    Justin, der gerade einen Stoß Teller hereintrug, begann furchtbar zu zittern.
    »Was hast du?« sagte der Apotheker.
    Bei dieser Frage ließ der junge Mann alles mit lautem Krach zu Boden fallen.
    »Schwachkopf!« schrie Homais, »Tolpatsch! Trampel! dummer Esel!«
    Sich aber plötzlich beherrschend:
    »Ich wollte eine Analyse vornehmen, Herr Doktor, und darum steckte ich primo behutsam in ein Röhrchen …«
    »Sie hätten ihr besser«, sagte der Chirurg, »die Finger in den Hals gesteckt.«
    Sein Kollege schwieg, er hatte eben erst im Vertrauen eine empfindliche Rüge wegen des Brechmittels erhalten, sodass der gute Canivet, beim Klumpfuß einst wortreich und anmaßend, heute sehr bescheiden war; er lächelte in einem fort voll Einverständnis.
    Homais strahlte stolz wie Amphitryon, und der betrübliche Gedanke an Bovary trug irgendwie noch bei zu seinem Vergnügen, durch eine egoistische Rückbesinnung auf sich selbst. Zudem beflügelte ihn die Gegenwart des Doktors. Er prahlte mit seiner Gelehrsamkeit, er nannte bunt durcheinander Kanthariden, Upas, Manzinella, Viper.
    »Und ich habe sogar gelesen, Herr Doktor, dass etliche Personen vergiftet und dahingerafft wurden durch Blutwürste, die allzu stark geräuchert waren! Wenigstens stand das in einem sehr schönen Bericht, verfasst von einer unserer pharmazeutischen Koryphäen, einem unserer Lehrmeister, dem berühmten Cadet de Gassicourt!«
    Madame Homais erschien wieder und brachte eine jener wackligen Maschinen, die man mit Brennspiritus heizt; denn Homais legte Wert darauf, seinen Kaffee am Tisch zu bereiten,

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