Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
sagt zwar ein wahres Wort, aber zugleich ein unklares, das dem Verstand nichts erklärt. Mir ist derjenige lieber, der nicht laut schreit, der das Wort Besudelung nicht ausspricht, der aber die Frau warnt vor der Ernüchterung, vor der Enttäuschung, der ihr sagt: Da, wo Sie Liebe zu finden glauben, werden Sie nur Liederlichkeit finden; da, wo Sie Glück zu finden glauben, werden Sie nur Bitterkeit finden. Ein Ehemann, der in aller Ruhe seinen Geschäften nachgeht, der Sie küsst, der seine Zipfelmütze aufsetzt und mit Ihnen die Suppe isst, das ist ein nüchterner Ehemann, gegen den Sie sich auflehnen; Sie streben nach einem Mann, der Sie liebt, der Sie abgöttisch verehrt, armes Kind! dieser Mann wird ein Liederjan sein, der Sie für eine Minute genommen hat, um mit Ihnen zu spielen. Die Illusion wird beim ersten Mal eingetreten sein, vielleicht beim zweiten Mal; Sie werden fröhlich heimgekehrt sein, das Lied des Ehebruchs singend: »Ich hab einen Geliebten!« Beim dritten Mal müssen Sie gar nicht bis zu ihm gehen, die Enttäuschung wird gekommen sein. Dieser Mann, den Sie erträumten, wird seinen ganzen Glanz verloren haben; Sie werden in der Liebe alle Schalheit der Ehe wiedergefunden haben; und Sie werden sie mit Verachtung und Hohn wiedergefunden haben, mit Ekel und bohrender Reue.
Das ist es, meine Herren, was Monsieur Flaubert gesagt hat, was er gemalt hat, was in jeder Zeile seines Buches steht; das ist es, was sein Werk von allen Werken derselben Gattung unterscheidet. Bei ihm zeigen sich die großen Verkehrtheiten der Gesellschaft auf jeder Seite; denn bei ihm schreitet der Ehebruch voll Ekel und Scham einher. Er hat aus den gewöhnlichen Beziehungen des Lebens die erschütterndste Lehre gezogen, die einer jungen Frau erteilt werden kann. Oh! mein Gott, denjenigen unter unseren jungen Frauen, die in den ehrbaren, edlen Grundsätzen, in einer strengen Religion nicht das finden, was ihnen hilft, beharrlich zu sein in der Erfüllung ihrer Pflichten als Mütter, die sie vor allem nicht finden in dieser Ergebenheit, dieser praktischen Lebenskenntnis, die uns sagt, dass wir uns bescheiden müssen mit dem, was wir haben, sondern die ihre Träumereien hinausschweifen lassen, diese ehrbaren, diese reinen jungen Frauen, die in der Nüchternheit ihres Hausstands zuweilen verwirrt werden durch das, was um sie herum geschieht, ein Buch wie dieses, da können Sie sicher sein, bringt mehr als eine zum Nachdenken. Das ist es, was Monsieur Flaubert gemacht hat.
Und achten Sie bitte auf eines: Monsieur Flaubert ist kein Mann, der Ihnen einen zauberhaften Ehebruch schildert, um danach den Deus ex machina auftreten zu lassen, nein; Sie haben zu schnell von der Seite, die Sie gelesen habe, zur letzten weitergeblättert. Der Ehebruch ist bei ihm nichts als eine Abfolge von Qual, von Bedauern, von Reue; und dann kommt er zu einer abschließenden, entsetzlichen Sühne. Sie ist maßlos. Wenn Monsieur Flaubert sündigt, dann durch diese Maßlosigkeit, und ich werde Ihnen gleich sagen, von wem dieses Wort stammt. Die Sühne lässt nicht auf sich warten; und gerade darin ist das Buch zutiefst moralisch und nützlich, denn es verspricht der jungen Frau nicht ein paar schöne Jahre, an deren Ende sie sagen kann: Danach kann man sterben. Nein! Schon am zweiten Tag kommt die Bitterkeit, die Enttäuschung. Die Lösung, zugunsten der Moral, findet sich in jeder Zeile des Buches.
Dieses Buch ist mit einer Beobachtungskraft geschrieben, der der Herr Staatsanwalt Gerechtigkeit widerfahren ließ: und hier bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit, denn, wenn die Anklage keinen Rechtsgrund hat, dann muss sie fallen. Dieses Buch ist mit einer wirklich bemerkenswerten Kraft der Beobachtung in den kleinsten Details geschrieben. Ein mit Flaubert gezeichneter Beitrag im Artiste hat der Anklage als zusätzlicher Vorwand gedient. Der Herr Staatsanwalt möge zunächst beachten, dass dieser Beitrag in keiner Beziehung zur Anschuldigung steht; weiters möge er beachten, dass wir ihn für sehr unschuldig und sehr moralisch halten in den Augen des Gerichts, vorausgesetzt, der Herr Staatsanwalt hätte die Güte, ihn vollständig zu lesen, anstatt ihn zu zerstückeln. Erschütternd an Monsieur Flauberts Buch ist das, was einige Besprechungen die daguerreotypische Treue in der Wiedergabe der Form aller Dinge genannt haben, in der Innensicht der Gedanken, des menschlichen Herzens – und diese Wiedergabe wird noch erschütternder durch den Zauber des Stils.
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