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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Mandant in seiner Bescheidenheit kaum wagte, sie vor mir zu wiederholen. Lamartine bewies ihm, dass er alle Folgen gelesen hatte, und bewies es ihm auf liebenswürdigste Art und Weise, indem er nämlich ganze Seiten daraus hersagte. Allerdings fügte Lamartine hinzu: »Obwohl ich Sie vorbehaltlos bis zur letzten Seite gelesen habe, habe ich die letzten getadelt. Denn Sie haben mir weh getan, Sie haben mir buchstäblich Schmerzen bereitet! Die Sühne steht in keinem Verhältnis zum Verbrechen; Sie haben einen grauenvollen, entsetzlichen Tod geschaffen! Natürlich muss die Frau, die das Ehebett besudelt, mit einer Sühne rechnen, aber diese hier ist grässlich, das ist eine Marter, wie man sie noch nie gesehen hat. Sie sind zu weit gegangen, Sie haben meinen Nerven weh getan; diese Kraft der Beschreibung, die bei den letzten Augenblicken des Todes angewandt wird, hat mir einen unsagbaren Schmerz hinterlassen!« Und als Gustave Flaubert ihn fragte: »Aber, Monsieur de Lamartine, begreifen Sie, dass ich gerichtlich verfolgt werde, weil ich ein solches Werk verfasst habe, vor der Strafkammer, wegen Verletzung der öffentlichen und religiösen Moral?«, da antwortete ihm Lamartine: »Ich glaube, ich bin mein ganzes Leben lang der Mann gewesen, der in seinen literarischen wie in seinen anderen Werken am besten verstanden hat, was die öffentliche und religiöse Moral ist; mein liebes Kind, es ist unmöglich, dass sich in Frankreich ein Gericht findet, dass Sie verurteilt. Es ist schon überaus bedauerlich, dass der Charakter Ihres Werkes so missverstanden wurde und dass man angeordnet hat, es zu verfolgen, aber es ist unmöglich, für die Ehre unseres Landes und unserer Epoche, dass sich ein Gericht findet, das Sie verurteilt.«
    Das hat sich gestern zugetragen, zwischen Lamartine und Flaubert, und ich habe das Recht, Ihnen zu sagen, diese Bewertung gehört zu denjenigen, die es abzuwägen lohnt.
    Dies vorausgeschickt, lassen Sie uns nun sehen, wie es geschehen kann, dass mein Gewissen mir sagt, Madame Bovary ist ein gutes Buch, eine gute Tat? Und bitte, gestatten Sie mir anzufügen, dass ich in derlei Dingen nicht leichtfertig bin, Leichtfertigkeit gehört nicht zu meinen Gewohnheiten. Ich halte literarische Werke in Händen, die, obwohl sie von unseren großen Schriftstellern stammen, meine Augen niemals auch nur zwei Minuten gefesselt haben. Ich werde Ihnen im Beratungszimmer einige Zeilen daraus vorlegen, die ich nie mit Vergnügen gelesen habe, und bitte, gestatten Sie mir, Ihnen zu sagen, dass ich, als ich ans Ende von Monsieur Flauberts Werk kam, überzeugt war, eine von der Revue de Paris vorgenommene Streichung war der Grund für das alles hier. Ich will Sie außerdem um die Erlaubnis bitten, meine Bewertung der höheren, weiseren Bewertung, die ich soeben erinnert habe, folgen zu lassen.
    Hier, meine Herren, eine Mappe, gefüllt mit den Ansichten aller Literaten unserer Zeit, unter ihnen die hervorragendsten, über das Werk, um das es geht, und über das Entzücken, das sie beim Lesen dieses neuen Werks verspürt haben, das so moralisch ist und zugleich so nützlich!
    Wie konnte es dazu kommen, dass ein solches Werk einer Strafverfolgung ausgesetzt ist? Wollen Sie mir gestatten, Ihnen das zu sagen? Die Revue de Paris , deren Prüfungsgremium das vollständige Werk gelesen hatte, denn das Manuskript war ihr lange vor der Veröffentlichung zugeschickt worden, hatte nichts daran auszusetzen gefunden. Als das Heft vom 1. Dezember 1856 gedruckt werden sollte, ist einer der Herausgeber über die Szene in einem Fiaker erschrocken. Er hat gesagt: »Das ist unschicklich, wir werden es streichen.« Flaubert hat sich durch diese Streichung verletzt gefühlt. Er wollte nicht, dass sie ohne Fußnote auf der Seite vorgenommen wird. Er war es, der diese Fußnote gefordert hat. Er war es, der wegen seiner Selbstachtung als Autor nicht wollte, dass sein Werk verstümmelt wird, andererseits aber auch nicht wollte, dass irgendetwas der Revue Ärger bereitet, und darum gesagt hat: »Streichen Sie, wenn Sie es für richtig halten, aber vermerken Sie, dass Sie gestrichen haben«; und dann hat man sich auf folgende Fußnote geeinigt:
    »Die Herausgeber sahen sich gezwungen, an dieser Stelle eine Passage zu streichen, die der Redaktion der Revue de Paris nicht genehm sein konnte; hiermit setzen wir den Autor davon in Kenntnis.«
    Und hier nun die gestrichene Passage, ich will Sie Ihnen vorlesen. Wir besitzen einen Fahnenabzug davon, den

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