Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
Vom Netzwerk:
die ihm die Umwelt, in der er lebte, zur Verfügung stellen konnte; er hat andere Umwelten befragt:

    Qui mores multorum vidit et urbes.

    Nach dem Tod seines Vaters und der Ausbildung am Collège hat er Italien besucht und von 1848 bis 1851 jene Landschaften des Orients durchstreift, Ägypten, Palästina, Kleinasien, in denen der Mensch, der sie durchstreift, wenn er große Intelligenz mitbringt, zweifellos etwas Hohes, etwas Poetisches erwerben kann, jene Farben, jenen Glanz des Stils, welche die Staatsanwaltschaft vorhin unterstrich, um das Vergehen, das sie uns anlastet, zu beweisen. Dieser Glanz des Stils, diese literarischen Qualitäten werden bleiben, werden aus dieser Verhandlung strahlend hervortreten, den Anschuldigungen jedoch in keiner Weise Angriffspunkte bieten.
    Seit 1852 wieder zurück, hat Monsieur Gustave Flaubert geschrieben und versucht in einem großen Rahmen das Ergebnis aufmerksamer und seriöser Studien vorzulegen, das Ergebnis dessen, was er auf seinen Reisen gesammelt hat.
    Welchen Rahmen hat er gewählt, welches Thema hat er genommen, und wie hat er es behandelt? Mein Mandant ist einer von jenen, die keiner der Schulen angehören, deren Namen ich vorhin im Plädoyer vernommen habe. Mein Gott! er gehört der realistischen Schule insofern an, als er sich mit der Realität der Dinge befasst. Er mag der psychologischen Schule insofern angehören, als nicht die Materialität der Dinge ihn antreibt, sondern das menschliche Gefühl, die Entwicklung der Leidenschaften in der Umwelt, in die er gestellt ist. Er mag der romantischen Schule vielleicht weniger als jeder anderen angehören, denn wenn die Romantik in seinem Buch auftaucht, genauso wie wenn der Realismus darin auftaucht, dann nicht durch ein paar hier und dort eingestreute ironische Ausdrücke, welche die Staatsanwaltschaft ernst genommen hat. Was Monsieur Flaubert vor allem gewollt hat, war, für seine Studie ein Thema aus dem realen Leben zu nehmen, etwas zu schaffen, wahre Typen im Mittelstand zu gestalten und zu einem nützlichen Ergebnis zu gelangen. Ja, was meinen Mandanten bei der Studie, der er sich gewidmet hat, am meisten beschäftigte, ist genau dieses nützliche Ziel, das er verfolgte, indem er drei oder vier Figuren der gegenwärtigen Gesellschaft in Szene setzte, die unter den Bedingungen des realen Lebens leben und in den Augen des Lesers das wahre Abbild dessen darstellen, was man in der Welt am häufigsten findet.
    Die Staatsanwaltschaft hat, ihre Meinung über Madame Bovary zusammenfassend, gesagt: Der zweite Titel dieses Werkes lautet: Geschichte der Ehebrüche einer Frau in der Provinz . Ich protestiere nachdrücklich gegen diesen Titel. Er allein würde mir, hätte ich ihn nicht von Anfang bis Ende Ihres Plädoyers herausgehört, den vorherrschenden Gedanken beweisen, unter dessen Einfluss Sie in einem fort gestanden haben. Nein! der zweite Titel dieses Werkes lautet nicht: Geschichte der Ehebrüche einer Frau in der Provinz ; er lautet, wenn Sie unbedingt einen zweiten Titel brauchen: Geschichte der Erziehung, wie sie allzu häufig in der Provinz erteilt wird; Geschichte der Gefahren, welche mit ihr einhergehen, Geschichte der Entwürdigung, der Schurkerei, des Selbstmords, betrachtet als Folge einer ersten Schuld, einer Schuld, die ihrerseits herbeigeführt wurde durch erste Fehler, zu denen eine junge Frau oft verleitet wird; Geschichte der Erziehung, Geschichte eines beklagenswerten Lebens, dessen Auftakt allzuoft die Erziehung ist. Das ist es, was Monsieur Flaubert malen wollte, und nicht die Ehebrüche einer Frau in der Provinz; das werden Sie bald erkennen, wenn Sie das inkriminierte Werk durchlesen.
    Nun hat die Staatsanwaltschaft in alldem, vor allen Dingen, die laszive Farbe erblickt. Wenn es mir möglich wäre, die Anzahl der Buchzeilen, welche die Staatsanwaltschaft ausgeschnitten hat, zu nehmen und sie in Parallele zu setzen mit der Anzahl der anderen Zeilen, welche sie beiseite gelassen hat, dann hätten wir eine Gesamtproportion von eins zu fünfhundert, und Sie könnten sehen, dass diese Proportion von eins zu fünfhundert keine laszive Farbe ist, es nirgendwo ist; sie existiert nur unter der Bedingung von Ausschnitt und Kommentar.
    Nun, was wollte Monsieur Flaubert malen? Zunächst die Erziehung einer Frau, eine Erziehung, welche die Grenzen des Standes überschreitet, in den sie hineingeboren ist, wie es, das muss gesagt werden, nur allzuoft bei uns geschieht; dann die Vermischung disparater Elemente,

Weitere Kostenlose Bücher