Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
wollte sich einen Weg in die Literatur bahnen und dabei Moral und Religion zutiefst achten – nicht aus Furcht vor der Staatsanwaltschaft, ein solcher Gedanke käme ihm nicht in den Sinn, sondern aus persönlicher Würde, denn er wollte seinen Namen nicht auf einer Schrift sehen, sofern diese nicht einigen Personen, in die er Vertrauen hatte, veröffentlichenswert schien. Monsieur Flaubert hat, in Bruchstücken und sogar vollständig, einigen literarisch hochgestellten Freunden die Seiten vorgelesen, die er eines Tages in Druck geben wollte, und ich versichere Ihnen, keiner hat Anstoß genommen an dem, was den Herrn Staatsanwalt in diesem Augenblick so heftig erregt. Nicht einer hat auch nur daran gedacht. Man hat einzig und allein den literarischen Wert des Buches untersucht, studiert. Was das moralische Ziel betrifft, es ist so offensichtlich, es steht in jeder Zeile geschrieben, in so unmissverständlichen Worten, dass es nicht einmal nötig war, es in Frage zu stellen. Beruhigt, was den Wert des Buches angeht, darüber hinaus noch ermutigt durch die bedeutendsten Männer der Presse, denkt Monsieur Flaubert nur noch daran, es in Druck zu geben, der Öffentlichkeit preiszugeben. Ich wiederhole, alle haben einmütig dem literarischen Verdienst Anerkennung gezollt, dem Stil und zugleich den vortrefflichen Gedanken, die das Werk von der ersten bis zur letzten Zeile bestimmen. Und als die Strafverfolgung einsetzte, war nicht nur er überrascht, zutiefst bestürzt; sondern, gestatten Sie mir, Ihnen das zu sagen, wir waren es, die diese Strafverfolgung nicht verstanden, ich allen voran, der dieses Buch mit lebhaftem Interesse gelesen hatte, während seine Veröffentlichung voranschritt, seine engsten Freunde. Mein Gott! es gibt Feinheiten, die uns manchmal entgehen könnten bei unseren Gewohnheiten, die jedoch Frauen von großer Intelligenz, von großer Reinheit, von großer Keuschheit nicht entgehen können. Es gibt keinen Namen, der hier in dieser Verhandlung genannt werden kann, aber wenn ich Ihnen sagte, was Monsieur Flaubert gesagt worden ist, was mir selber gesagt worden ist von Müttern, die dieses Buch gelesen hatten, wenn ich Ihnen von ihrer Verwunderung, ihrem Schmerz berichtete, als sie erfuhren, dass dieses Buch als im Widerspruch zur öffentlichen Moral, zu ihrem religiösen Glauben, dem Glauben ihres ganzen Lebens zu betrachten sei, mein Gott! aber die Gesamtheit dieser Bewertungen würde mich stärken, wenn ich gestärkt werden müsste in diesem Augenblick, da ich die Angriffe der Staatsanwaltschaft abwehre.
Doch unter all diesen Bewertungen durch die Gegenwartsliteratur gibt es eine, die ich Ihnen vortragen will. Es gibt eine, die von uns nicht nur geachtet wird wegen eines schönen und großen Charakters, der, inmitten von Widrigkeiten und Leid, gegen die er tagtäglich tapfer ankämpft, groß ist durch das Andenken an viele Taten, die hier nicht eigens erinnert werden müssen, groß durch literarische Werke, die hingegen erinnert werden müssen, weil genau sie seine Kompetenz ausmachen, groß vor allem durch die Reinheit, die in allen seinen Werken vorhanden ist, durch die Keuschheit seiner Schriften: Lamartine.
Lamartine kannte meinen Mandanten nicht; er wuss-te nicht, dass es ihn gab. Lamartine hatte bei sich zu Hause, auf dem Land, in jeder einzelnen Nummer der Revue de Paris die Fortsetzungen von Madame Bovary gelesen, und Lamartine hatte darin Eindrücke gefunden, die sich ein ums andere Mal erneuerten, und davon will ich Ihnen berichten.
Vor einigen Tagen ist Lamartine zurück nach Paris gekommen, und am nächsten Tag hat er sich nach der Adresse von Monsieur Gustave Flaubert erkundigt. Er hat einen Boten zur Revue geschickt, um die Adresse eines Monsieur Gustave Flaubert zu erfahren, der in der Zeitschrift Beiträge unter dem Titel Madame Bovary veröffentlicht hatte. Er hat seinen Sekretär beauftragt, Monsieur Flaubert seine freundlichsten Empfehlungen zu überbringen und ihm die große Zufriedenheit auszudrücken, die er beim Lesen seines Werkes empfunden habe, sowie den Wunsch zu äußern, dass er den neuen Autor sehen wolle, der sich durch eine derartige Probe seines Könnens offenbart habe.
Mein Mandant ist zu Lamartine gegangen; und er hat in ihm nicht nur einen Mann gefunden, der ihn ermutigte, sondern einen Mann, der ihm auch gesagt hat: »Sie haben mir das beste Werk geschenkt, das ich seit zwanzig Jahren gelesen habe.« Es waren, mit einem Wort, solche Lobeshymnen, dass mein
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