Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
mit folgenden Worten ausdrücken lassen: Verführung zur Tugend durch Abscheu vor dem Laster.
Ich überbringe Ihnen die Beteuerung Monsieur Gustave Flauberts, und ich stelle sie beherzt dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft gegenüber, denn diese Beteuerung ist schwerwiegend, sie ist es durch die Person, die sie vorgebracht hat, sie ist es durch die Umstände, welche die Niederschrift des Buches gelenkt haben und die ich Ihnen zur Kenntnis bringen werde.
Die Beteuerung ist bereits schwerwiegend durch die Person, die sie vorbringt, und gestatten Sie mir, Ihnen das zu sagen, Monsieur Gustave Flaubert war für mich kein Unbekannter, der Empfehlungen gebraucht hätte, der mir Auskünfte hätte erteilen müssen, ich sage nicht über seine Moral, jedoch über seine Würde. Ich komme hierher, an diesen Ort, um eine Gewissenspflicht zu erfüllen, nachdem ich das Buch gelesen habe, nachdem ich gespürt habe, wie durch diese Lektüre alles hervorströmt, was in mir ehrenhaft und zutiefst religiös ist. Freilich, während ich eine Gewissenspflicht erfülle, erfülle ich zugleich auch eine Freundschaftspflicht. Ich erinnere mich, wie könnte ich es vergessen, dass sein Vater für mich ein alter Freund war. Sein Vater, auf dessen Freundschaft ich lange Zeit stolz war, stolz bis zum letzten Tag, sein Vater, und gestatten Sie mir, das zu sagen, sein berühmter Vater, war über dreißig Jahre lang Chefchirurg am Hôtel-Dieu in Rouen. Er war der Förderer von Dupuytren; indem er der Wissenschaft große Unterweisungen gab, hat er sie mit großen Namen bedacht; ich will nur einen nennen, Cloquet. Nicht nur hat er selbst einen wohlklingenden Namen in der Wissenschaft hinterlassen, er hat großartige Erinnerungen an ungeheure, der Menschheit geleistete Dienste hinterlassen. Und während ich mich an meine Beziehungen zu ihm erinnere, das will ich Ihnen sagen, ist sein Sohn, der wegen Verstoßes gegen Moral und Religion vor dem Strafgericht steht, ist sein Sohn der Freund meiner Kinder, so wie ich der Freund seines Vaters war. Ich kenne seine Gedanken, ich kenne seine Absichten, und der Anwalt hat hier das Recht, sich persönlich für seinen Mandanten zu verbürgen.
Meine Herren, ein großer Name und große Erinnerungen verpflichten. Die Kinder von Monsieur Flaubert gereichen ihm nicht zur Schande. Sie waren drei, zwei Söhne und eine Tochter, die mit einundzwanzig Jahren starb. Der ältere wurde für würdig erachtet, seinem Vater nachzufolgen: und er ist es, der heute, seit mehreren Jahren schon, die Aufgabe erfüllt, die sein Vater dreißig Jahre lang erfüllt hat. Der jüngere steht hier: vor Ihrem Gericht. Indem ihr Vater ihnen ein beachtliches Vermögen und einen großen Namen hinterließ, hinterließ er ihnen auch die Notwendigkeit, Männer von Verstand und Herz zu sein, nützliche Männer. Der Bruder meines Mandanten hat eine Laufbahn eingeschlagen, in der tagtäglich gute Dienste geleistet werden. Dieser hier hat sein Leben dem Studium gewidmet, der Literatur, und das Werk, das in diesem Augenblick hier vor Ihnen verfolgt wird, ist sein erstes Werk. Dieses erste Werk, meine Herren, das nach Aussage des Herrn Staatsanwalts Leidenschaften hervorruft, ist das Ergebnis langer Studien, langen Nachdenkens. Monsieur Gustave Flaubert ist ein Mann von seriösem Charakter, seiner Natur nach ernsten Dingen, traurigen Dingen zugewandt. Er ist nicht der Mann, den die Staatsanwaltschaft mit fünfzehn oder zwanzig hier und dort herausgefischten Zeilen Ihnen als Verfasser lasziver Gemälde vorgestellt hat. Nein; in seiner Natur liegt, ich wiederhole es, alles, was man sich auf der Welt an Ernstestem, Seriösestem, zugleich aber auch Traurigstem vorstellen kann. Sein Buch, indem nur ein einziger Satz wiederhergestellt wird, indem neben die paar zitierten Zeilen die paar Zeilen gesetzt werden, die vorangehen und die folgen, wird vor Ihnen bald wieder seine wahre Farbe annehmen und zugleich die Absichten seines Autor zu erkennen geben. Und von den allzu geschickten Worten, die Sie gehört haben, wird in Ihrer Erinnerung nur ein Gefühl von tiefer Bewunderung für ein Talent bleiben, das alles verwandeln kann.
Ich habe Ihnen gesagt, dass Monsieur Gustave Flaubert ein seriöser und ernster Mann ist. Seine Studien, der Natur seines Geistes entsprechend, waren ernst und breit gefächert. Sie haben nicht nur alle Zweige der Literatur umfasst, sondern auch die Rechte. Monsieur Flaubert ist ein Mann, der sich nicht mit den Beobachtungen begnügt hat,
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