Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Nichtigkeit der Anschuldigung zeigen; darin wird meine ganze Verteidigung bestehen.
Ich werde ganz gewiss nicht versuchen, den edlen, lebhaften, pathetischen Bewertungen, mit denen die Staatsanwaltschaft ihre Ausführungen umgeben hat, Bewertungen derselben Art entgegenzustellen; die Verteidigung hat nicht das Recht, solche Posen einzunehmen; sie wird sich damit begnügen, die Texte so zu zitieren, wie sie sind.
Und als erstes erkläre ich, dass nichts falscher ist als das, was vorhin über die laszive Farbe gesagt wurde. Die laszive Farbe! Wo haben Sie das bloß hergenommen? Was für eine Frau hat mein Mandant in Madame Bovary geschildert? Ja! mein Gott! es ist traurig, das zu sagen, aber so ist es nun mal, ein junges Mädchen, so sittsam geboren, wie es fast alle jungen Mädchen sind; die meisten wenigstens, freilich aber labil, wenn die Erziehung, anstatt sie zu stärken, sie verweichlicht oder auf einen falschen Weg gebracht hat. Er hat ein junges Mädchen genommen; ist es ein verdorbenes Wesen? Nein; ein empfindsames Wesen, anfällig für Schwärmerei.
Der Herr Staatsanwalt hat gesagt: Dieses junge Mädchen wird in einem fort als lasziv gezeigt. Nein! Es wird dargestellt als auf dem Land geboren, auf einem Bauernhof, wo es sich um alle Arbeiten seines Vaters kümmert und wo keinerlei Laszivität in seinen Geist oder in sein Herz eindringen konnte. Anschließend wird es dargestellt, anstatt der Bestimmung zu folgen, die natürlicherweise die seine gewesen wäre, nämlich für den Bauernhof erzogen zu werden, auf dem es leben sollte, oder in einer ähnlichen Umgebung, wird es dargestellt unter der fahrlässigen Autorität eines Vaters, der sich einfallen lässt, dieses Mädchen im Kloster erziehen zu lassen, das auf einem Bauernhof geboren ist und irgendwann einen Bauern heiraten soll, einen Mann vom Lande. Es wird also in ein Kloster gebracht, hinaus aus seiner Welt. In den Worten der Staatsanwaltschaft gibt es nichts, was nicht schwerwiegend wäre, darum darf nichts unbeantwortet bleiben. Ach! Sie haben von den kleinen Sünden gesprochen; ein paar Zeilen aus der ersten Folge zitierend, haben Sie gesagt: »Wenn sie zur Beichte ging, erfand sie kleine Sünden, um länger zu bleiben, im Dunklen kniend … im Geflüster des Priesters.« Sie haben sich bereits in der Bewertung meines Mandanten schwer getäuscht. Er hat den Fehler nicht begangen, den Sie ihm vorwerfen, der Irrtum liegt ganz bei Ihnen, zunächst was das Alter des Mädchens betrifft. Da es erst mit dreizehn in die Klosterschule kommt, ist klar, dass es vierzehn war, als es zur Beichte ging. Es war also kein zehnjähriges Kind, wie zu behaupten Ihnen gefallen hat; hier haben Sie sich im Faktischen getäuscht. Aber ich will nicht an der Unwahrscheinlichkeit eines zehnjährigen Kindes herumnörgeln, das gern im Beichtstuhl sitzt, »im Geflüster des Priesters«. Was ich will, ist, dass Sie die Zeilen lesen, die vorangehen, was nicht ganz leicht ist, das gebe ich zu. Und hier macht sich der Nachteil für uns bemerkbar, kein Memorandum zu haben: mit einem Memorandum bräuchten wir nicht in sechs verschiedenen Bänden zu suchen.
Ich habe Ihre Aufmerksamkeit auf diese Stelle gelenkt, um Madame Bovary ihren wahren Charakter zurückzugeben. Erlauben Sie, dass ich Ihnen sage, was mir sehr wichtig scheint, was Monsieur Flaubert verstanden und was er hervorgehoben hat? Es gibt eine Art Religion, von der man im allgemeinen den jungen Mädchen erzählt und welche die schlechteste von allen ist. Diesbezüglich können die Ansichten auseinandergehen. Was mich betrifft, so erkläre ich unmissverständlich: Ich kenne nichts, was so schön, so nützlich, so notwendig ist, um nicht allein den Frauen auf dem Weg des Lebens Halt zu geben, sondern auch den Männern, die zuweilen harte Prüfungen durchstehen müssen, ich kenne nichts, was nützlicher und notwendiger ist als das religiöse Gefühl, aber das ernste religiöse Gefühl und, gestatten Sie mir dies anzufügen, das strenge.
Ich will, dass meine Kinder einen Gott begreifen, nicht einen Gott in den Abstraktionen des Pantheismus, nein, sondern ein höheres Wesen, mit dem sie in Verbindung stehen, zu dem sie sich emporheben, um zu beten, und das sie zugleich größer und stärker macht. Dieser Gedanke, sehen Sie, der mein Gedanke ist, der auch Ihr Gedanke ist, das ist die Kraft an schlechten Tagen, die Kraft in dem, was man auf der Welt die Zuflucht nennt oder, noch besser, die Kraft der Schwachen. Dieser Gedanke
Weitere Kostenlose Bücher