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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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definitive Modell des Genres machte.« Diese Einschätzung hat sich in den gut 100 Jahren seither nicht verändert, und so sagt Milan Kundera in seinem grundlegenden Essay Die Kunst des Romans (1986): » Madame Bovary : zum ersten Mal ist ein Roman soweit, die höchsten Ansprüche der Poesie zu erfüllen (die Intention, ›vor allem die Schönheit zu suchen‹; die Bedeutung jedes einzelnen Wortes; die intensive Melodie des Textes; der für jedes Detail geltende Imperativ der Originalität).« Und der Titel der kleinen Monographie des Romanisten Hans-Martin Gauger lautet kurz und bündig: Der vollkommene Roman: Madame Bovary (1986).
    Natürlich ist Madame Bovary keinesfalls nur literarische, sprachliche Perfektion für Kenner, nicht l’art pour l’art und stilistische Meisterschaft allein; hier findet man zugleich einen fesselnden, indiskreten Roman mit bodenständiger Handlung und wirklichen, ganz gegenwartsnahen Figuren, eine skandalöse Ehebruchsgeschichte um Liebe, Verrat und Geld, das ungeschminkte Porträt einer Frau und ihrer Leidenschaft, das keine Leserin und keinen Leser kaltließ – ein Buch, so provozierend und erregend, dass ihm die Staatsgewalt wegen »Unmoral« den Prozess machte. Auf fast unglaubhafte Weise vereint Madame Bovary die äußersten Extreme: ein Roman, der in seinem raffinierten Stil und seiner bis ins kleinste durchgestalteten Sprache als unübertreffliches Kunstwerk galt und zugleich als erstes Meisterwerk der jungen Strömung jenes »Realismus«, dem die »Idealisten« seine alltäglichen, trivialen Sujets, seine groben Figuren und sein Interesse an den schäbigen, nur wenig erhabenen Seiten der menschlichen Spezies vorhielt. Realismus und l’art pour l’art – Madame Bovary ist beides und ist beides nicht, steht allein wie die großen Meisterwerke der Literaturgeschichte.
    Wissenschaft und Literaturkritik haben die Gründe für diese Ausnahmestellung genau untersucht. Flaubert wollte den Roman als Kunst auf eine Höhe bringen, die der ästhetischen Vollkommenheit der kanonischen Gattungen vergangener Jahrhunderte, also Poesie und Drama, entsprach. Er hat rund fünf Jahre an seinem Roman gearbeitet und dabei diese Vollkommenheit in jeder Hinsicht gesucht: in der Sprache, ihrer Grammatik, ihrem Klang, ihrem Rhythmus, der Präzision seiner Wortwahl; doch ebenso in der gedanklichen Durchdringung und der so ganz plastischen, geradezu sinnlich nachspürbaren Darstellung des Geschehens, im dramatischen Aufbau des Ganzen und jeder einzelnen Szene; und nicht zuletzt in den realistischen Details von Orten, Schauplätzen und Figuren, von historischen, geographischen und regionalen Zusammenhängen. Die Vollkommenheit der Madame Bovary liegt, kurz gesagt, in der unauflöslichen Verbindung alles dessen.
    Madame Bovary ist von zahlreichen Mythen umwoben, und wie es so häufig geschieht, sind in diesen Mythen Wahrheit und Erfindung eng miteinander verflochten. Das beginnt natürlich mit dem Mythos des »Einsiedlers von Croisset«, der zur Verblüffung der Ausflügler auf der Seine seine Sätze zur Erprobung von Rhythmus und Klang über die Wasser brüllte, und das endet durchaus noch nicht mit dem Skandal des Verbotsprozesses, der aus der kleinen Landarztgattin Emma Bovary im Gedächtnis der Öffentlichkeit die faszinierende femme fatale machte und aus dem Buch mitunter gar einen Schlüssellochroman. Dazu gehört weiterhin eine lange Tradition, die auf die »wahren Hintergründe« der Handlung aus ist und in der Entschlüsselung von Namen und Orten die eigentliche Deutung des Romans erkennen will, oder aber, im Gegenteil, in der Hauptfigur den Autor selber: »Madame Bovary, das bin ich.«
    Zu den ernsthafteren Mythen zählen aber auch zahlreiche Dinge, die mit Flauberts Stellung in der Literatur seiner Zeit zusammenhängen oder mit seinen eigenen Aussagen über sein Werk. Zunächst ist das Flauberts Position zwischen Romantik und Realismus. Aus den kruden, skandalumwitterten, eben realistischen Details der Geschichte leitete ein Teil der zeitgenössischen Leser und Kritiker umstandslos Flauberts Zugehörigkeit zur »Schule des Realismus« ab; jeder Leser aber wird heute sehen, dass Figuren wie Charles und Emma nicht einfach naturgetreue Ebenbilder des Lebens selber sind. »Aus Hass gegen den Realismus habe ich diesen Roman angefangen. Aber genausowenig ausstehen kann ich die falsche Idealität, mit der wir heutzutage zum Narren gehalten werden«, schreibt Flaubert am 30. Oktober 1856 an Edma

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