Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
der Apotheker für eine Weile mitten im Gemeinderat. Doch die Gastwirtin beachtete ihn nicht mehr.«
Was ist das? Ein Dialog, eine Szene, wie sie jedesmal stattfanden, wenn Homais Gelegenheit hatte, über Priester zu sprechen. Es gibt noch etwas Besseres in der letzten Stelle, Seite 271:
»Die allgemeine Aufmerksamkeit wurde abgelenkt durch das Erscheinen von Monsieur Bournisien, der mit den Sterbesakramenten durch die Markthalle kam. Homais, getreu seinen Grundsätzen, verglich die Priester mit Raben, die von Verwesungsgeruch herbeigelockt werden; der Anblick eines Geistlichen war ihm persönlich zuwider, denn er musste bei der Soutane ans Leichentuch denken, und er verabscheute das eine, weil ihm vor dem andern ein wenig grauste.«
Unser alter Freund, der uns den Katechismus geliehen hat, war sehr glücklich über diese Stelle; er sagte: Das ist von verblüffender Wahrheit; das ist wirklich ein Porträt des Pfaffenfressers, der »bei der Soutane ans Leichentuch denken muss, und er verabscheut das eine, weil ihm vor dem andern ein wenig graust«. Das war ein Gottloser, und er verabscheute die Soutane, ein wenig aus Gottlosigkeit vielleicht, aber viel mehr noch, weil er bei ihr ans Leichentuch denken musste.
Gestatten Sie mir, das alles zusammenzufassen.
Ich verteidige einen Mann, der, hätte er es mit einer literarischen Kritik an der Form seines Buches, an einigen Ausdrücken, an zu vielen Details, an dem einen oder anderen Punkt zu tun bekommen, diese literarische Kritik mit größter Herzensgüte akzeptiert hätte. Jedoch des Verstoßes gegen Moral und Religion angeklagt zu werden! Monsieur Flaubert kann es gar nicht fassen; und er protestiert hier vor Ihnen mit allem Befremden und aller Kraft, zu denen er fähig ist, gegen eine solche Anklage.
Sie gehören nicht zu jenen, die Bücher auf einige Zeilen hin verdammen, Sie gehören zu jenen, die vor allem die Gedanken beurteilen, die Mittel der Ausführung, und die sich die Frage stellen, mit der ich mein Plädoyer begonnen habe und mit der ich es beschließe: Weckt die Lektüre eines solchen Buches Liebe zum Laster, flößt sie Abscheu vor dem Laster ein? Die so entsetzliche Sühne der Schuld, treibt sie nicht, verführt sie nicht zur Tugend? Die Lektüre dieses Buches kann bei Ihnen keinen anderen Eindruck hinterlassen als bei uns, nämlich: dass dieses Buch als Ganzes ausgezeichnet ist und dass die Einzelheiten über jeden Tadel erhaben sind. Die gesamte klassische Literatur ermächtigte uns zu ganz anderen Darstellungen und Szenen als jene, die wir uns erlaubt haben. Wir hätten sie uns, unter diesem Gesichtspunkt, zum Vorbild nehmen können, wir haben es nicht getan; wir haben uns eine Zurückhaltung auferlegt, die Sie uns gutschreiben werden. Sollte Monsieur Flaubert durch das eine oder andere Wort das Maß, das er sich auferlegt hatte, überschritten haben, so möchte ich Sie nicht nur daran erinnern, dass es sich um ein Erstlingswerk handelt, sondern Ihnen außerdem sagen, dass, auch wenn er sich geirrt haben mag, sein Irrtum ohne Schaden für die öffentliche Moral wäre. Und indem er hier vor dem Strafgericht steht – er, den Sie nun ein wenig kennen durch sein Buch, er, den Sie schon ein wenig lieben, davon bin ich überzeugt, und den Sie noch mehr liebten, würden Sie ihn besser kennen – , ist er hinlänglich, ist er bereits allzu hart gestraft. Nun ist es an Ihnen zu entscheiden. Sie haben das Buch als Ganzes und in seinen Einzelheiten beurteilt; es ist unmöglich, dass Sie noch zögern!
URTEIL *
Das Gericht widmete einen Teil der Sitzung vor acht Tagen der Verhandlung über eine Strafverfolgung gegen Monsieur Léon Laurent-Pichat und Monsieur Auguste-Alexis Pillet, der Erstgenannte Herausgeber, der Zweitgenannte Drucker der Zeitschrift La Revue de Paris , und Monsieur Gustave Flaubert, Literat, alle drei angeklagt: 1. Laurent-Pichat, weil er 1856 in den Nummern vom 1. und 15. Dezember der Revue de Paris Teile eines Romans mit dem Titel Madame Bovary und insbesondere verschiedene auf den Seiten 73, 77, 78, 272, 273 enthaltene Teile veröffentlicht und damit die Vergehen des Verstoßes gegen die öffentliche und religiöse Moral sowie gegen die Sittlichkeit begangen hat; 2. Pillet und Flaubert, Pillet, indem er die oben genannten Teile des Romans mit dem Titel Madame Bovary gedruckt hat, damit sie veröffentlicht werden, und Flaubert, indem er sie geschrieben und Laurent-Pichat ausgehändigt hat, damit sie veröffentlicht werden, weil alle
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