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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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zurande zu kommen: 1838 die Mémoires d’un fou , 1842 Novembre und 1843 die erste, kürzere Fassung der Éducation sentimentale , die ihn zwei Jahre lang beschäftigen wird. Diese drei Erzählungen oder Romane haben nun schon eine Qualität, die eine Veröffentlichung nicht mehr ausgeschlossen hätte; Flaubert aber dachte noch immer nicht daran.
    Kern aller drei Texte ist eine autobiographische Liebesgeschichte, und das ist vor allem erwähnenswert, weil deren Bild von Leidenschaft und Erotik in vielen Elementen auch die ganz fiktive Liebes- und Leidensgeschichte der Emma Bovary beeinflussen wird. Während der Sommerferien 1836 hatte Gustave im normannischen Seebad Trouville die sechsundzwanzigjährige, also zwölf Jahre ältere Élisa Foucault kennengelernt. Sie trat als die Ehefrau des Musikverlegers Maurice Schlésinger auf, mit dem sie eine gemeinsame Tochter hatte und den sie später auch heiratete. Gustave verliebte sich in Élisa mit einer Leidenschaft, die nur noch stärker wurde durch die Unmöglichkeit, ihr irgendwie näherzukommen. Élisa Schlésinger wurde für ihn deshalb im Laufe der Zeit zu einer realen und zu einer literarischen Figur. Als Flaubert ihr und ihrem Mann später in Paris wiederbegegnet und in gesellschaftlichen Verkehr mit den beiden tritt, da ist sie inzwischen, aber selbstverständlich ohne ihr Wissen, bereits zu Maria geworden, der Hauptfigur der Mémoires d’un fou , zu der Marie in Novembre und zu Madame Renaud in der Éducation sentimentale .
    Der für Madame Bovary interessanteste »Roman« – so nannte Flaubert selber laut dem Tagebuch der Brüder Goncourt das Manuskript – ist Novembre . Die weibliche Hauptfigur Marie ist eine Prostituierte, mit der der junge Held seine ersten sexuellen Erfahrungen macht. Die Goncourts nannten Marie spöttisch eine »ideale Hure«, und sie ist tatsächlich etwas wie eine philosophierende Prostituierte aus Überzeugung. Solche romantischen, zuweilen klischeehaften Versatzstücke stehen unmittelbar neben Passagen von genauer Darstellung und Analyse. Zuvor, in den Mémoires d’un fou , gab es immer noch die angehimmelte Frau, deren Reiz in ihrer Unerreichbarkeit besteht; Novembre dagegen ist die analytische Zergliederung zweier Psychen und ihrer äußeren Lebensumstände. Ganz offenkundig ist Flaubert zum ersten Mal auf der Suche nach einer Sprache und einem Stil, der dem künstlerischen und analytischen Verfahren der späteren Madame Bovary gleicht; er beginnt zu ahnen, worauf es ihm ankommen wird. Flaubert nimmt konsequent Abschied von der Vorstellung, Liebe könne etwas bloß Natürliches, Voraussetzungsloses sein, was keiner Erklärung bedarf. Im Gegenteil, man kann sich an rosaroten Traumbildern von Liebe, Liebhabern, Liebhaberinnen berauschen, ja rettungslos vergiften. Wie später Emma Bovary, gibt sich Marie hemmungslos dem Konsum populärer Romane hin, und Paul und Virginie von Bernardin de Saint-Pierre, auch ein Lieblingsbuch Emmas, hat sie hundertmal verschlungen, mit schrecklichen Folgen. In Novembre findet sich dann auch der Satz, den man – nach Passion et vertu und vor Madame Bovary – nicht überschätzen kann, und er verrät nichts anderes als das verschwiegene Losungswort der aussichtslosen Liebe zu Madame Élisa Schlésinger: »Seit damals gab es für mich ein Wort, das unter den menschlichen Worten das schönste schien: Ehebruch [ adultère ], eine auserlesene Süße schwebt undeutlich über ihm, ein einzigartiger Zauber ziert es; jede Bewegung, die man macht, sagt es und kommentiert es auf ewig für das Herz des jungen Mannes, er berauscht sich ohne Ende, er findet darin die höchste Poesie, eine Mischung aus Verdammnis und Lust.« Und kurz darauf setzt der Erzähler seine eigene und Maries Lebensgeschichten provozierend gleich: »Ohne uns zu kennen, waren wir beide, sie in ihrer Prostitution und ich in meiner Keuschheit, den gleichen Weg gegangen, bis an den gleichen Abgrund«. Für Flaubert haben seine Figuren die Regeln der bürgerlichen Gesellschaft radikal überschritten, und das ist es, was ihn noch lange interessieren wird.
    Auf Novembre folgt dann noch die erste Éducation sentimentale , und nach Passion et vertu ist die Geschichte von Madame Renaud und Henry der zweite Anlauf Flauberts, die leidenschaftliche Liebe als Ehebruch zu erzählen, und in beiden Fällen, mit Mazzas Mord an ihrer Familie wie jetzt mit der Flucht auf dem Segelschiff ins Traumland Amerika, führt der Casus zu einigermaßen dramatischen

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