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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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    Das Tribunal hat noch eine andere, für die Literaturgeschichte unabsehbare Folge: »›Du musst auf diese unklaren Sujets verzichten, die von sich aus schon so verschwommen sind, dass du sie nicht überschauen, sie nicht bündeln kannst; du hast einen unüberwindlichen Hang zum Lyrismus, also musst du ein Sujet wählen, bei dem Lyrismus so lächerlich wäre, dass du gezwungen bist, auf dich aufzupassen und auf ihn zu verzichten. Nimm ein bodenständiges Sujet, eine dieser Geschichten, von denen das bürgerliche Leben so voll ist, irgendwas wie Cousine Bette oder Cousin Pons von Balzac, und zwinge dich, es in einem natürlichen, fast gewöhnlichen Ton zu behandeln, und lass diese Abschweifungen, diese Redereien, die zwar für sich genommen schön sind, aber nur nutzlose Vorspeisen für die Entwicklung deiner Idee und ärgerlich für den Leser.‹ […] Plötzlich sagte Bouilhet: ›Warum schreibst du nicht die Delaunay-Geschichte?‹ Flaubert hob den Kopf und rief freudig aus: ›Was für eine Idee!‹« So berichtet es Maxime Du Camp, doch er wusste wahrscheinlich nicht, in welchem Ausmaß Flaubert sich ohnehin für diese Themen interessierte: Bouilhets Vorschlag trifft bei Flaubert auf eine sperrangelweit geöffnete Tür. Aus der Ehebruchsgeschichte von nebenan macht er seine Madame Bovary , die er zum Dank für diese Jahrhundertidee dann auch dem Ratgeber Louis Bouilhet widmet.
    Wenige Wochen später bricht Flaubert am 29. Oktober 1849 mit Du Camp auf zu seiner Voyage en Orient , und er verbringt anderthalb Jahre im Traumland seiner romantischen, imaginären Exzesse. Die Gestalt der provinziellen Ehebrecherin aus der Normandie begleitet ihn; irgendwo am oberen Nil soll er, laut Du Camp, den Namen seiner unsterblichen Heldin gefunden haben: »Ich hab’s! Heureka! Heureka! ich werde sie Emma Bovary nennen.« Doch auch hier hat Maxime Du Camp die wirklichen Ereignisse wohl um der dichterischen Zuspitzung willen etwas bearbeitet, denn noch befand sich Flaubert in einem Zustand der Überlegung und des Zögerns zwischen mehreren Sujets. So schreibt er am 14.  November 1850 aus Konstantinopel an Louis Bouilhet: »Apropos Themen, ich habe drei, die vielleicht nur ein und dasselbe sind, und das stinkt mir gewaltig: 1. Une nuit de Don Juan , über die ich im Lazarett von Rhodos nachgedacht habe; 2. die Geschichte der Anubis , der Frau, die vom Gott gefickt werden will. – Das ist die anspruchsvollste, aber sie enthält grässliche Schwierigkeiten; 3. mein flämischer Roman von dem jungen Mädchen, das als Jungfrau und Mystikerin stirbt, zwischen Vater und Mutter, in einer kleinen Provinzstadt, im hintersten Winkel eines Gartens, bepflanzt mit Kohlköpfen und Spindelbäumen, am Ufer eines Flusses, so groß wie die Eau-de-Robec. Was mir keine Ruhe lässt, ist die Ideenverwandtschaft zwischen diesen drei Plänen. Im ersten die unstillbare Liebe in den beiden Formen der irdischen Liebe und der mystischen Liebe. Im zweiten die gleiche Geschichte, aber man fickt und die irdische Liebe ist weniger erhaben, insofern als sie präziser ist. Im dritten sind sie in derselben Person vereint, und die eine führt zur anderen; bloß krepiert meine Heldin an religiöser Masturbation, nachdem sie die Finger-Masturbation praktiziert hat.« Und nach dem Vorabdruck des Romans, am 30.  März 1857, wird er sich in einem Brief an Mademoiselle Leroyer de Chantepie erinnern: »Und vergleichen Sie sich nicht mit der Bovary. Sie ähneln ihr kein bisschen! Sie taugte weniger als Sie, was den Kopf betrifft und auch das Herz; denn sie ist eine etwas verdorbene Natur, eine Frau von falscher Poesie und falschen Gefühlen. Meine ursprüngliche Idee war, aus ihr eine Jungfrau zu machen, die in tiefster Provinz lebt, im Kummer alt wird und auf diese Weise in die äußersten Zustände des Mystizismus und der erträumten Leidenschaft gelangt. Von diesem ursprünglichen Plan habe ich die ganze Umgebung beibehalten (ziemlich schwarze Landschaften und Figuren), die Farbe also. Bloß um die Geschichte verständlicher zu machen, und auch unterhaltsamer, im guten Sinn des Wortes, habe ich eine menschlichere Heldin erfunden, eine Frau, wie man sie öfter sieht. Außerdem ahnte ich für die Ausführung des ursprünglichen Plans solche Schwierigkeiten voraus, dass ich mich nicht drangewagt habe.«
    Am 5. Januar 1850 berichtet er aus Kairo seiner Mutter: »Wenn ich aber an meine Zukunft denke (das passiert mir selten, weil ich an überhaupt nichts

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