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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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denke, im Gegensatz zu den großen Gedanken, die man angesichts der Ruinen haben muss), kurzum, wenn ich mich frage: was mache ich nach der Rückkehr? werde ich schreiben? was bin ich dann wert? wo soll ich leben? welchen Weg einschlagen usw. usf., dann bin ich voller Zweifel und Unentschlossenheit. Von Jahr zu Jahr habe ich es immer weiter hinausgeschoben, mir gegenüber Stellung zu beziehen, und mit 80 werde ich krepieren, noch bevor ich eine Meinung von mir habe oder vielleicht ein Werk geschaffen, das mir gezeigt hätte, was ich kann. Ist der Antonius gut oder schlecht? Das zum Beispiel frage ich mich oft. Wer hat sich geirrt, ich oder die anderen? Andrerseits schert mich das alles recht wenig; ich lebe wie eine Pflanze, ich sauge mich voll mit Sonne, Licht, Farben und frischer Luft. Ich esse: das ist alles. Bleibt nur noch zu verdauen und dann zu scheißen, – und zwar gute Kacke! Das ist wichtig.« Ende Juni 1851 betritt er wieder das Haus in Croisset, am 19.  September schreibt er das erste Wort der Madame Bovary .

Alles, was man erfindet, ist wahr:
Entstehungsgeschichte

    »Nimm ein bodenständiges Sujet, eine dieser Geschichten, von denen das bürgerliche Leben so voll ist« – ein solches Thema war die provinzielle Tragödie des Ehepaars Delamare, die sich unlängst in der Umgebung von Rouen zugetragen hatte. Wann genau Flaubert von diesem Fait divers erfuhr, ob unmittelbar nach der Antonius -Lektüre, wie Du Camp in seinen Erinnerungen behauptet, oder erst nach der Orientreise, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Am 23. Juli 1851, also kurz nach der Rückkehr, schreibt Maxime Du Camp an Flaubert: »Was tust Du? wofür entscheidest Du Dich? woran arbeitest Du? was schreibst Du? hast Du Dich zu etwas entschlossen? ist es immer noch Don Juan ? ist es die Geschichte der Mme Delamarre [sic!], die wunderschön ist! Wie fühlst Du Dich?«
    Delphine Couturier, eines von vier Kindern wohlhabender Bauern aus Blainville-Crevon, unweit der Ortschaft Ry gelegen, heiratete im Alter von siebzehn (nach anderen Quellen dreiundzwanzig) Jahren den rechtschaffenen, aber etwas schwerfälligen Sanitätsbeamten Eugène Delamare (der in Du Camps Souvenirs littéraires aus Diskretion »Delaunay« genannt wird). Eugène Delamare, ein junger Witwer, der in erster Ehe mit einer um fünf Jahre älteren Frau verheiratet war, hatte in Rouen studiert, auch bei Flauberts Vater, und sich als Arzt in Ry niedergelassen, etwa zwanzig Kilometer östlich von Rouen. Eine Tochter wurde geboren, die junge Frau begann eine Affäre mit ihrem Nachbarn, einem Lebemann und Dorf-Don Juan namens Louis Campion, der sich, durch Spiel und Frauen ruiniert, 1852 auf offener Straße erschoss. Ein Kanzlist, der zielstrebig seine kleine Karriere verfolgte, war ihm schon zuvor als zweiter Liebhaber nachgefolgt. Delphine Delamare starb 1848, angeblich hatte sie sich vergiftet, ihr Mann verschied ein Jahr später, am 8.  Dezember 1849 (als Flaubert und Du Camp bereits in Ägypten waren), und es hieß, auch er habe sich umgebracht.
    Zusammengetragen und reichlich ausgeschmückt wurden diese Fakten späterhin vor allem von zwei Personen: dem Journalisten Georges Dubosc, der, angestiftet durch Maxime Du Camps Souvenirs littéraires , im Journal de Rouen vom 22. November 1890 »La véritable Madame Bovary« ausforschte, und dem Arzt Raoul Brunon, Direktor der École de Médecine in Rouen, der seine Erkenntnisse in La Normandie médicale vom 1. Dezember 1907 unter dem Titel »À propos de Madame Bovary« veröffentlichte. Selbst für den Abbé Bournisien und den Apotheker Homais wurden Vorbilder geliefert: ein Abbé Lafortune und ein Pfarrer aus Trouville, der Apotheker Jouanne aus Ry sowie Pharmazeuten aus Trouville, Veules und Forges-les-Eaux. Auch der Ort Ry, auf dessen Friedhof Delphine Delamare begraben liegt, und die Landschaft ringsum ähneln »haargenau« Flauberts Yonville-l’Abbaye, wie René Dumesnil, der sich vertrauensvoll auf Brunon stützt, in La Publication de Madame Bovary (1928) betont. Wen wundert’s also, dass die lokale Legendenbildung üppig weiterblühte und die Fremdenverkehrsämter der Gegend noch heutzutage Ausflüge »Auf den Spuren von Emma Bovary« anbieten. Auch in seinem Standardwerk Gustave Flaubert, L’Homme et l’Œuvre (1943) räumt Dumesnil der Delamare-Geschichte breiten Raum ein, während spätere Flaubert-Forscher ihre Bedeutung auf ein bescheidenes Maß zurückstutzen. Maurice Nadeau etwa sieht darin nicht mehr als

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