Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
simpler Angst vor dem Staatsanwalt zurück.« Tatsächlich erscheint mit dem Einverständnis von Flaubert die fünfte Folge (am 1. Dezember) ohne die zweifelhafte Fiakerszene, eine Fußnote erklärt: »Die Herausgeber sahen sich gezwungen, an dieser Stelle eine Passage zu streichen, die der Revue de Paris nicht genehm sein konnte; hiermit setzen wir den Autor davon in Kenntnis.« Auch in der sechsten und letzten Folge will die Zeitschrift Kürzungen vornehmen: die Letzte Ölung sowie zwei Gespräche zwischen dem Abbé Bournisien und dem Apotheker Homais während der Totenwache sollen entschärft werden.
Die alte Freundschaft zwischen Flaubert und Du Camp litt unter diesen Querelen. In seinen Souvenirs littéraires behauptet Du Camp, einzig und allein das drohende Verbot der Zeitschrift sei Grund für die verlangten Streichungen gewesen; Flaubert jedoch, »ein literarischer Mystiker, bereit zum Märtyrertod«, habe sich unbeugsam gezeigt. Flaubert wehrt sich jetzt tatsächlich mit aller Kraft gegen die Verstümmelung seines wohlkomponierten Romans. Am 7. Dezember antwortet er der Revue de Paris : »1. Sie hatte Madame Bovary drei Monate als Manuskript vorliegen, und bevor sie die erste Zeile gedruckt hat, musste sie wissen, woran sie mit besagtem Werk war. Sie konnte es nehmen oder die Finger davon lassen. Sie hat’s genommen, Pech für sie; / 2. Nachdem die Sache beschlossen und akzeptiert war, habe ich der Streichung einer meiner Ansicht nach sehr wichtigen Passage zugestimmt, weil mir die Revue versicherte, sie käme in Gefahr. Ich habe mich anstandslos gefügt; aber ich will Ihnen nicht verhehlen (hier spreche ich zu meinem Freund Pichat), an dem Tag habe ich bitter bereut, dass ich auf die Idee verfallen bin, gedruckt zu werden. / Man soll seine Gedanken ganz sagen oder nichts sagen; / 3. Ich finde, dass ich schon sehr viel getan habe, und die Revue findet, dass ich noch mehr tun muss. Nun, ich werde nichts tun , keine einzige Korrektur, keine einzige Kürzung, kein einziges Komma weniger, nichts, nichts! … Doch wenn die Revue de Paris findet, dass ich ihr schade, wenn sie Angst hat, dann gibt es eine ganz einfache Lösung, nämlich sofort mit Madame Bovary Schluss zu machen. Das juckt mich kein bisschen.« An Laurent-Pichat gerichtet fügt Flaubert noch hinzu: »Als Sie die Stelle mit dem Fiaker gestrichen haben, haben Sie nichts entfernt von dem, was skandalisiert, und wenn Sie in der sechsten Nummer das streichen, was man von mir verlangt, werden Sie wieder nichts entfernen. / Sie kämpfen gegen Details, das Ganze müssen Sie angreifen. Das Brutale liegt in der Tiefe und nicht an der Oberfläche. Man wäscht einen Neger nicht weiß, und das Blut eines Buches tauscht man nicht aus. Man kann es ärmer machen, das ist alles.«
Fast ist Flaubert entschlossen, gerichtlich gegen die Revue de Paris vorzugehen, er bittet einen Freund um Rat, den Pariser Notar Frédéric Fovard, doch der sucht ihn zu beschwichtigen. Er wendet sich außerdem an den Anwalt Jules Senard, einen angesehenen Liberalen aus Rouen, der 1848 Präsident der Nationalversammlung und Innenminister war. Senard gelingt es wohl, zwischen Flaubert und der Zeitschrift zu vermitteln, denn am 15. Dezember – drei Tage nach Flauberts fünfunddreißigstem Geburtstag – erscheint die letzte Folge der Bovary mit folgender Warnung: »Erwägungen, die ich nicht bewerten will, haben die Revue de Paris gezwungen, in der Nummer vom 1. Dezember eine Streichung vorzunehmen. Da ihre Bedenken sich bei der vorliegenden Nummer wiederholten, fand sie es angebracht, erneut mehrere Passagen wegzulassen. Infolgedessen erkläre ich, dass ich jede Verantwortung für die folgenden Zeilen ablehne; der Leser wird hiermit gebeten, darin nur Fragmente zu sehen und kein Ganzes. / gustave flaubert.« Betrachtet man die Kürzungswünsche der Revue de Paris insgesamt (siehe unten S. 654–659), dann fällt auf, dass die Herausgeber nicht nur die ausdrücklich erotischen Stellen heikel fanden; mindestens ebenso gefährlich erschien ihnen die Darstellung des Bürgertums und, am Ende, der Machenschaften des Apothekers Homais im Umkreis von »Staatsgewalt«, »Obrigkeit« und »öffentlicher Meinung«.
Am 24. Dezember 1856 schließt Flaubert für das Ganze einen Vertrag mit dem Verleger Michel Lévy und überlässt ihm die Rechte an der Buchausgabe von Madame Bovary für fünf Jahre und 800 Franc Honorar. Dem geplagten Autor ist danach nur kurze Ruhe vergönnt, denn noch vor
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