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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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bemüht, Spuren zu verwischen, indem er Entfernungen ändert, Ungenauigkeiten einbaut oder Bilder verfremdet, vor allem aber dadurch, dass die zwei wichtigsten Schauplätze fiktive Orte sind. Tostes ist eben nicht das real existierende Tôtes und Yonville-l’Abbaye nicht Ry oder Forges-les-Eaux oder Neufchâtel-en-Bray. Dichtung und Wahrheit verschwimmen, Dichtung wird Wahrheit, nicht umgekehrt. »Alles, was man erfindet, ist wahr, da kannst Du ganz sicher sein. Die Poesie ist etwas so Genaues wie die Geometrie. Die Induktion taugt so viel wie die Deduktion, und wenn man einen bestimmten Punkt erreicht hat, irrt man sich nicht mehr bei allem, was die Seele angeht. Meine arme Bovary leidet und weint bestimmt in zwanzig Dörfern Frankreichs gleichzeitig, zu eben dieser Stunde«, schreibt Flaubert am 14.  August 1853, wiederum an Louise Colet. Für seine grandiosen Landschaftsbeschreibungen hat Flaubert jedenfalls ein konkretes Bild aus jener Normandie vor Augen, in der er sein ganzes Leben verbracht hat – ob es nun identifizierbar ist wie das atemberaubende Gemälde von Rouen zu Beginn von Kapitel V im Dritten Teil, das Victor Hugos »Paris in der Vogelschau« in Notre-Dame zu Paris einiges zu verdanken hat, oder ob es einen imaginären Ort darstellt wie die langsame, suggestive Annäherung an Yonville-l’Abbaye am Anfang des Zweiten Teils. Aus den Entwürfen ist zudem klar ersichtlich, dass Yonville schrittweise in Flauberts Imagination entstand, dass er es peu à peu den Bedürfnissen seiner voranschreitenden Erzählung entsprechend baute und wieder umbaute, bis schließlich ein befriedigender Lageplan vorlag.
    Auch der zeitliche Verlauf, die Dauer von Emma Bovarys Geschichte, bleibt im ungewissen. Trotz genauer Angaben von Jahreszeiten und Monaten, verflossenen Wochen und Jahren ist es unmöglich, eine präzise Chronologie der Ereignisse zu erstellen. Wie viele Jahre haben Emma und Charles miteinander verbracht? Vier Jahre hat Charles als Arzt in Tostes gelebt (S. 92), davon vierzehn Monate mit seiner ersten Frau, der Witwe Dubuc (S. 50); innerhalb von zwei Jahren ist Emmas Mitgift aufgebraucht (S. 121); seit vier Jahren übt sich Emma in Geduld und leidet, als sie mit Rodolphe fliehen will (S.  254); zwei Jahre hat ihr Verhältnis mit Rodolphe gedauert (S. 403); danach hat sie ihn drei Jahre nicht gesehen (S. 401); Léon begegnet Emma nach dreijähriger Abwesenheit wieder (S. 303) – zwischen Hochzeit und Tod der Emma Bovary vergehen also etwa acht Jahre.
    Historisch sind diese acht Jahre im Umkreis von 1840 situiert. Denn dass wir uns in der Zeit des Bürgerkönigs Louis-Philippe (1830–1848) befinden, steht außer Zweifel; immer wieder tauchen eindeutige Hinweise auf: »inniggeliebter König« (S.  189) oder »unser guter König« (S. 446); der Staatsanwalt, der Homais nach Rouen zitiert, ist ein »königlicher« (S. 120); Emma erhält eine Pfändungsverfügung »im Namen des Königs« (S. 378). Eingestreute Ereignisse erlauben eine ungefähre Datierung: Polnische Flüchtlinge, wie Charles’ Vorgänger in Yonville einer war, kamen ab 1831 nach Frankreich (S. 93 und 103); die Cholera, die eine Vergrößerung des Friedhofs von Yonville nötig macht, wütete 1832 (S. 101); die großen Überschwemmungen in Lyon haben im Herbst 1840 stattgefunden (S. 103). Trotzdem ist noch nichts zu spüren vom revolutionären 1848, das in der zweiten Éducation sentimentale eine so große Rolle spielen wird. Selbst ganz zum Schluss setzt der stets gut informierte Zeitungsleser Homais auf die »Staatsgewalt« und Louis-Philippe, um das begehrte Kreuz der Ehrenlegion zu bekommen. Diese Einbettung der Handlung in eine präzise geographische und vor allem historische Umgebung bezeichnet Erich Auerbach in Mimesis (Kapitel XVIII, »Im Hôtel de La Mole«) als »modernen Realismus« und erklärt: »Wenn man die Art dieser Darstellung mit der Stendhals oder Balzacs vergleicht, so ist vorauszuschicken, daß auch hier die beiden entscheidenden Merkmale des modernen Realismus anzutreffen sind; auch hier werden alltäglich-wirkliche Vorgänge aus einer niederen sozialen Schicht, dem kleinen Provinzbürgertum, sehr ernst genommen; […] und auch hier sind die alltäglichen Vorgänge genau und tief in eine bestimmte zeitgenössisch-geschichtliche Epoche (die Zeit des Bürgerkönigtums) hineingesenkt; unauffälliger zwar als bei Stendhal oder Balzac, aber doch unverkennbar. In diesen beiden grundsätzlichen Merkmalen besteht,

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