Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
gegenüber allem früheren Realismus, Übereinstimmung zwischen den drei Schriftstellern.«
Der Schriftsteller Gustave Flaubert hatte sich also am 19. September 1851 an die Arbeit gemacht, die er im März 1856 abschließt. Über diese viereinhalb Jahre ist nicht viel zu sagen, oder aber unendlich viel, da sie bis ins Detail dokumentiert sind: vor allem durch die zuweilen täglichen Briefe an seine Geliebte Louise Colet, der er – bis zum Bruch im Frühsommer 1854 – jeden Schritt in der Fron beschreibt. Flaubert arbeitet zwölf und manchmal bis zu sechzehn Stunden täglich, er isst und trinkt, badet in der Seine, trifft hin und wieder Louise Colet und fährt dann und wann nach Paris. Jeden Sonntag kommt Louis Bouilhet zu Besuch, um die entstandenen Passagen und ihre Schwierigkeiten zu diskutieren. »Zwei Jahre sitze ich nun schon dran! Das ist lang! Zwei Jahre! Immer mit denselben Figuren und in einem widerlichen Milieu herumwatend! […] Ich tu nichts anderes als Scheiße dosieren«, schreibt er am 21. September 1853 an Louise Colet, und dieser Ton wiederholt sich Jahr um Jahr. Die Briefe an Louise Colet, die einige hundert Seiten umfassen, sind eine überaus aufschlussreiche Lektüre, die eine eigene Analyse verdienten; kaum je hat ein Autor so detailliert Auskunft gegeben über die alltägliche Praxis des Schreibens, über die Zwänge des Gewollten, die Zahl der Seiten, die dramaturgisch für diese oder jene Szene nötig waren. Und zu guter Letzt wird die Arbeit an Madame Bovary begleitet von Notizen zum Wörterbuch der Gemeinplätze , »dieser Apologie der menschlichen Gemeinheit« (16. Dezember 1852 an Louise Colet). Flauberts Leben ist identisch geworden mit seinem Schreiben.
Das Brutale liegt in der Tiefe:
Der Prozess der Madame Bovary
Nach viereinhalb Jahren Arbeit und rund 4500 Seiten Entwürfen zieht Flaubert im März 1856 endlich den Schlussstrich unter seine Madame Bovary , im April korrigiert er die mit Fehlern übersäte Abschrift des Kopisten (der eine Kopistin war: Madame Dubois) und gibt das Manuskript, bevor er am 1. Mai von Paris zurück nach Croisset fährt, Maxime Du Camp zu lesen. Dann beginnen die langwierigen Verhandlungen über einen Vorabdruck in der Revue de Paris , deren verantwortlicher Herausgeber der Dichter und Journalist Léon Laurent-Pichat ist, weitere Herausgeber sind Maxime Du Camp und Louis Ulbach. Maxime Du Camp und Louis Bouilhet betätigen sich zunächst als Lektoren. Nach ersten Einwänden von Du Camp, der eine Veröffentlichung ab Juli bereits zugesagt hat, macht sich Flaubert an die definitive Überarbeitung, die hauptsächlich aus Kürzungen besteht. »Gestern habe ich Du Camp endlich das MS der Bovary geschickt, erleichtert um etwa dreißig Seiten, ohne die vielen hier und da entfernten Zeilen mitzuzählen. Ich habe drei lange Tiraden von Homais gestrichen, ein ganzes Landschaftsbild, die Gespräche der Bürger auf dem Ball, einen Artikel von Homais usw. usf. Du siehst, Alter, ich war heroisch. Hat das Buch dadurch gewonnen? – Sicher ist, das Ganze hat jetzt mehr Bewegung«, schreibt Flaubert am 1. Juni 1856 an Bouilhet, seinen »literarischen Kompass«. Auch Bouilhet hat in den zurückliegenden Jahren seinen Freund beständig zur Straffung des Romans angehalten: »So schön ein Buckel auch sein mag, wenn du ihn Venus auf die Schultern legst, wird Venus bucklig sein; also weg mit den Buckeln«, soll er Flaubert eingebleut haben, wie Du Camp in seinen Souvenirs littéraires erzählt.
Von diesem Moment an nimmt der juristische »Fall Bovary« seinen Lauf. Die Revue de Paris möchte den Roman zwar abdrucken, fürchtet aber einen Skandal, denn die Zensurbehörde hat schon lange ein Auge auf die Zeitschrift geworfen; ihr Liberalismus missfällt der Obrigkeit, und sie läuft in der Tat Gefahr, verboten zu werden. So versuchen die Herausgeber, Flaubert zur Streichung der heikelsten Stellen zu bewegen. Zugleich scheint Maxime Du Camp von der literarischen Qualität der Madame Bovary nicht hundertprozentig überzeugt, oder er behauptet es zumindest, um seinen Freund gefügig zu machen. »Gib uns freie Hand für die Veröffentlichung Deines Romans in der Revue ; wir werden die Streichungen vornehmen lassen, die wir für unumgänglich halten; anschließend veröffentlichst Du ihn als Buch, wie es Dir beliebt, das ist dann Deine Sache. Meine felsenfeste Überzeugung ist, wenn Du das nicht tust, dann schadest Du Dir unendlich und debütierst mit einem krausen Werk, bei
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