Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)
Erde gebracht«.
Erster Teil
Kapitel I
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im Arbeitssaal: Die Anfangsszene von Madame Bovary mit der Ankunft eines neuen Schülers, dem Gelächter über seinen Namen, dem anschließenden Getobe samt Strafarbeit gleicht auf verblüffende Weise einer Passage in Maxime Du Camps Livre posthume von 1853. Da Flaubert sein Eingangskapitel schon geschrieben hatte, als das Buch seines Freundes erschien, lässt sich nicht sagen, wer von wem beeinflusst wurde. Das berühmte »wir« des ersten Satzes hat Flaubert erst in der Abschrift des Kopisten eingefügt, davor hieß der Anfang: »Eben hatte die Schuluhr halb zwei geschlagen, als der Direktor in den Arbeitssaal trat, gefolgt von einem Neuen …« Dieser »Arbeitssaal«, die »Étude«, ist im französischen Ganztagsschulsystem auch heute noch ein Raum, in dem Schüler verschiedener Klassen gemeinsam unter Aufsicht eines Hilfslehrers oder Studenten außerhalb der eigentlichen Unterrichtsstunden lernen und Aufgaben machen.
in bürgerlichem Aufzug: Der Neue erscheint »habillé en bourgeois«, das heißt: in Zivil, nicht in Schuluniform.
Joppe: Flaubert benennt die Kleidung seiner Figuren immer sehr genau, denn sie charakterisiert ihren gesellschaftlichen Rang. Der »habit-veste« des Neuen ist ein Leibrock mit sehr kurzen Schößen, ein bescheidenes und zugleich altmodisches Kleidungsstück. Auf S. 41 tragen die ärmeren Gäste der Hochzeitsgesellschaft ebenfalls solche »Joppen«.
seine Mütze: Die Entwürfe zu Madame Bovary zeigen, dass Flaubert lange an dieser »monstruosité en fait de chapellerie«, an dieser Scheußlichkeit in Sachen Hutmacherei, gebastelt hat. Die ausschweifende Beschreibung der Mütze gehört, mit der Hochzeitstorte (S. 43) und dem Karussell auf dem Leierkasten (S. 90), zu den großen Tableaus sogenannter »choses composites«, absurder Dinge »gemischter Natur«. Flaubert spielt bekanntermaßen gern mit Zweideutigkeiten: Das französische Wort »gland« bedeutet einerseits »Troddel« oder »Quaste«, andererseits aber auch »Eichel«, ganz wie im Deutschen botanisch oder anatomisch zu verstehen. – »otter Kleines Raubtier, aus dessen Fell Mützen und Westen gemacht werden.« ( Wörterbuch der Gemeinplätze )
Helm: Die Aufforderung des Lehrers ist im Französischen durch den Gleichklang von »casquette« (Mütze) und »casque« (Helm) ein wenig geistreicher als im Deutschen.
den Namen Charles Bovary: Flauberts Figuren tragen sprechende Namen, zum Teil enthumanisierende Namen wie Bovary, Lebœuf, Tuvache, die ihre Träger als »Rindvieh« denunzieren, und zum Teil lächerliche Namen wie Lheureux oder Homais. »Bovary« klingt nach »bœuf« (Ochse), »bovins« (Rinder) und »bovidés« (Hohlhörner). Folgerichtig steht im Trésor de la langue française nach »bovarysme« und »bovaryste« der Eintrag für »bovidés«.
Quos ego: Drohung Neptuns, der den Winden zürnt ( Aeneis I,135).
ridiculus sum: »Von solcher Lächerlichkeit kann man sich nie wieder erholen«, heißt es einmal in Theodor Fontanes Effi Briest (Zehntes Kapitel). Der Satz gilt auch für Charles Bovary.
Truppenaushebungen: Nach dem Bruch des französisch-russischen Bündnisses überfiel Napoleon an der Spitze einer multinationalen Armee im Sommer 1812 Russland. Dieser Feldzug hatte zu massiven Truppenaushebungen geführt. Nach der verheerenden Niederlage der Grande Armée kehrten am Ende des Jahres von insgesamt 611 700 Mann höchstens 40 000 zurück. Erst 1818 wurde in Frankreich die allgemeine Wehrpflicht eingeführt.
stattlicher Mann: In ihrem Tagebuch erzählen Edmond und Jules de Goncourt am 4. März 1860: »In Madame Bovary , versichert er [Flaubert] uns, sei nur eine einzige Figur sehr entfernt nach der Natur gezeichnet, ein ehemaliger Zahlmeister der Kaiserlichen Armee, Aufschneider, Liederjan, Taugenichts, der seine Mutter mit dem Säbel bedrohte, um Geld zu bekommen, immer in Stiefeln, ledernen Hosen, Feldmütze, eine Säule des Zirkus Lalanne, dessen Kunstreiter bei ihm in Schüsseln zubereiteten Glühwein tranken und dessen Kunstreiterinnen unter seinem Dach sogar Kinder zur Welt brachten.«
bis zu seinem Tod: Das französische Possessivpronomen in »jusqu’à sa mort« ist zweideutig, und alle bisherigen deutschen Ausgaben schreiben »bis zu ihrem Tod«, wie übrigens auch Lydia Davis in ihrer 2010 erschienenen englischen Neuübersetzung. Aber der alte Bovary stirbt lange vor seiner Frau, und diese zeigt gegenüber anderen
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