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Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition)

Titel: Madame Bovary: Roman. Herausgegeben und übersetzt von Elisabeth Edl (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Arzt, seine Frau und ihr Dienstmädchen; aus dem Billardzimmer drang schallendes Gelächter; drei Müller im kleinen Saal riefen nach Schnaps; das Holz brannte, die Glut knisterte, und auf dem langen Küchentisch türmten sich zwischen den rohen Schafsvierteln Tellerstapel, klirrend unter den Hieben auf den Klotz, wo Spinat gehackt wurde. Man hörte im Hühnerhof das gackernde Federvieh, dem die Magd hinterherlief, um ihm den Hals abzuschneiden.
    Ein Mann in grünen Lederpantoffeln, leicht pockennarbig und auf dem Haupt eine Samtmütze mit Goldtroddel, wärmte sich den Rücken am Kamin. Sein Gesicht verriet nichts außer Selbstzufriedenheit, und er blickte so ruhig ins Leben wie der Distelfink, der in einem Weidenkäfig über seinem Kopf hing: das war der Apotheker.
    »Artémise!« schrie die Gastwirtin, »mach Kleinholz, füll die Karaffen, bring Schnaps, beeil dich! Wenn ich nur wüsste, was ich Ihrer Gesellschaft zum Nachtisch vorsetzen kann! Grundgütiger Gott! die Möbelpacker randalieren schon wieder im Billardzimmer! Und ihr Karren steht immer noch unterm großen Tor! Die Hirondelle ist imstande und rammt ihn, wenn sie ankommt! Ruf Polyte, er soll ihn wegstellen! … Denken Sie nur, Monsieur Homais, die haben rund fünfzehn Partien gespielt und acht Krüge Cidre getrunken! … Die zerreißen mir noch das Tuch«, fuhr sie fort und lugte von weitem hinüber, ihre Schaumkelle in der Hand.
    »Das wäre kein großes Malheur«, erwiderte Monsieur Homais, »dann kaufen Sie halt einen neuen.«
    »Einen neuen Billardtisch!« rief die Witwe.
    »Wenn der da nichts mehr taugt, Madame Lefrançois; ich sage Ihnen noch einmal, Sie schaden sich selbst! Sie schaden sich wirklich selbst! Außerdem wollen Kenner heutzutage enge Löcher und schwere Queues. Man bespielt die Kugel nicht mehr; alles hat sich geändert! Man muss mit der Zeit gehen! Schauen Sie mal, was Tellier macht …«
    Die Wirtin wurde rot vor Wut. Der Apotheker fuhr fort:
    »Sein Billardtisch ist hübscher als Ihrer, da können Sie sagen, was Sie wollen; und dass einer zum Beispiel auf die Idee kommt, eine patriotische Poule für Polen zu organisieren oder für die Überschwemmungsopfer von Lyon …«
    »Vor solchen Lumpen wie dem fürchten wir uns noch lange nicht!« unterbrach ihn die Wirtin und zuckte mit ihren feisten Schultern. »Ach was! Monsieur Homais, solange es den Lion d’or gibt, werden die Leute herkommen. Wir haben unser Heu im trockenen! Aber eines schönen Morgens werden Sie das Café Français geschlossen sehen, und mit einem feinen Plakat auf den Fensterläden! … Meinen Billardtisch auswechseln«, grummelte sie vor sich hin, »wo er so praktisch ist beim Wäschesortieren, und in der Jagdzeit haben bis zu sechs Reisende drauf geschlafen! … Wo bleibt nur Hivert, diese lahme Ente!«
    »Warten Sie mit dem Abendessen für Ihre Herren, bis er kommt?« fragte der Apotheker.
    »Warten? Und was ist mit Monsieur Binet! Schlag sechs sehen Sie ihn hereinspazieren, denn bei der Pünktlichkeit, da hat er nicht seinesgleichen. Immer will er seinen Platz im kleinen Saal! Der lässt sich lieber umbringen, als woanders zu essen! und zimperlich ist er! und so heikel beim Cidre! Da ist Monsieur Léon ganz anders; der kommt manchmal um sieben oder gar halb acht; und sieht nicht mal, was er isst. So ein guter junger Mann! Nie ein lautes Wort.«
    »Ja, sehen Sie, es gibt eben einen großen Unterschied zwischen jemandem, der eine Erziehung genossen hat, und einem ehemaligen Karabinier, der Steuereinnehmer ist.«
    Es schlug sechs. Binet trat ein.
    Er war in einen blauen Gehrock gekleidet, der rundherum an seinem mageren Körper gerade herabhing, und seine Ledermütze, deren Ohrenklappen oben auf dem Kopf mit Kordeln zusammengebunden waren, ließ unter dem hochgebogenen Schirm eine kahle Stirn hervorschauen, ganz plattgedrückt vom altvertrauten Helm. Er trug eine Weste aus schwarzem Tuch, einen Rosshaarkragen, graue Hosen und, zu jeder Jahreszeit, gut gewichste Stiefel, die zwei parallele Wülste hatten, wegen seiner krummen Zehen. Kein Härchen ragte über den Rand seiner blonden Fraise, die sich an den Kinnbacken entlangzog und wie die Einfassung einer Blumenrabatte das lange, stumpfe Gesicht umrahmte, mitsamt den kleinen Augen und der Hakennase. Er war geschickt in allen Kartenspielen, ein guter Jäger, besaß eine schöne Handschrift und hatte bei sich daheim eine Drechselbank, darauf drechselte er zum Vergnügen Serviettenringe, mit denen er sein Haus

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